Radreise in Neuseeland – Nordinsel

Radreise in Neuseeland – Nordinsel

Dezember 10, 2016 0 Von Pio

19.11. – 10.12.2016

Ich sitze im Zelt bei 15 Grad um halb neun abends und verfasse meinen ersten Bericht über diese Radreise mit Shui. Nach einem anstrengenden Rad-Tag gibt es nichts Besseres als einen kühlen Fluss mit einem kleinen, aber feinen versteckten Zeltplatz.

Gebadet und Wäsche gewaschen im Fluss, ein köstliches Kraftmahl aus allerlei Gemüse plus Reis und Linsen gezaubert und zu guter Letzt noch die unzähligen Vögel beim Singen bewundert. Ich schreibe aus Neuseeland! Zwölf Stunden unterschied zum „Zuhause“, das gab es auf meinen Reisen noch nicht. Umso witziger ist die Kommunikation. Ich stehe auf, Familie und Freunde gehen schlafen. Ich gehe schlafen, sie stehen erst auf. Mittlerweile ist es Routine geworden, doch anfangs war es sehr interessant zu merken, wie die Welt „zusammengebaut“ ist/wurde.

Mal der Reihe nach…

Noch bis ca. zwei Wochen vor Abflug hatte ich drei Ideen, wo ich meinen Winter verbringen wollte. Fest stand, dass ich wieder mit Shui wegfahren wollte. Für Südamerika war es bereits zu spät, Südafrika und Richtung Norden hätte etwas mehr Zeit für die Planung gebraucht. Somit blieb nur noch Neuseeland übrig. Mehrere verschiedene Abflugsorte und -Zeiten hatte ich mir angeschaut und von München aus gab es das günstigste Angebot. Also gut, in zwei Wochen, am 17.Nov., sollte es losgehen …

Bis dahin war noch einiges zu erledigen, was ich dann auch erfolgreich schaffte. Lustigerweise flog ein Guidekollege, mit dem ich zusammen die MTB-Alpen-Guiding-Touren mache, im gleichen Flieger mit und er hatte auch noch das gleiche Reiseziel!

Bei einem sechsstündigen Zwischenstopp in Hongkong konnte ich eine Freundin treffen, bevor es nach Auckland weiterging. Bei einer Gesamtflugzeit von 32 Stunden war ich froh, dass es mir viel kürzer vorkam. Am Flughafen bekam ich dann erstmal die Nachricht, dass mein Gepäck nicht mitgekommen sei. Ich möge mich an den Service-Schalter wenden. Auf dem Weg dorthin kam ich an den Gepäckausgabe-Bändern vorbei und siehe da, erkannte ich sofort Tasche und Karton! 🙂

Doch also mitgekommen und irgendwie nicht registriert. Egal! Drei Stunden später war ich fix und fertig raus aus dem Flughafen. All mein Gepäck wurde kontrolliert nach Schmutz. Shui war sauber, den hatten sie in Ruhe gelassen, mein Zelt war es auch, nur die Heringe nicht. Dennoch dauerte es. Draußen vor der Eingangstür durften Nathan (mein Guidekollege) und ich unsere Räder zusammenbauen. Wie bereits oben geschrieben, nach drei Stunden konnten wir losfahren.

Moment … die fahren hier ja links! Vorbereitet oder eingelesen hatte ich mich nur in Bezug auf Berge und schöne Landschaften, ach und ob ich einen Steckdosenadapter bräuchte (ja, braucht man). Nun ja, also wird hier auf der anderen Straßenseite gefahren, gut. Nach ca. einer Woche klappte es dann wunderbar. Nathan und ich gewöhnten uns erstmal an den Verkehr, der nicht gerade wenig ist. Ich war sehr überrascht, denn der Name „Neuseeland“ war für mich wie: Natur, wenig Autos, wenig Verschmutzung, abgeschiedene Orte usw. Genau das Gegenteil erblickte ich.

Wir bewegten uns Tag für Tag Richtung Norden. Was wir sahen, waren extrem (!) viele Kuhherden, ganz viel Zaun und sehr viele Autos oder LKWs. Letztere entweder mit Holz (für China) oder Milchtransporter. Ich war enttäuscht. Links und rechts vom Straßengraben lag sehr viel Müll herum. Bierflaschen (Scherben), Windeln, Säcke, Kleidung und viel anderer Müll wie Verpackung (coffee to go??, Softdrinks?? Zufällig?) und Essensreste. Krass!

Auch war ich SEHR „erstaunt“ über all die Fast-Food-Ketten. Fast jede Kleinstadt, die wir durchfuhren, roch nach Pommes! Ich war traurig gestimmt, all dies in einem so jungen Land zu entdecken. Da schützen sie den Kiwi-Vogel und bevor man die Kauri-Wälder betritt, möge man sich bitte die Schuhe desinfizieren. Und dann stellte ich so einen Umgang mit der Natur fest und war fassungslos über die Ernährung der Menschen hier.

Ein paar Tage später fuhr Nathan noch weiter hinauf in den Norden und ich schlug den Weg Richtung Südinsel ein, um eben DAS Neuseeland zu entdecken. Kurz vor Auckland machte ich bei einem Pärchen halt, das ich über das Internetportal „Warmshowers“ kontaktiert hatte und die mich daraufhin zu sich einluden. Zwei Nächte verbrachte ich bei ihnen und sie erklärten mir einiges über die Inseln. Der Müll und die Ess-Gewohnheiten waren ihnen selbst auch schon längst aufgefallen und sie hatten überhaupt kein Verständnis dafür bzw. verurteilten dieses Verhalten sehr stark.

Diana und Roel schenkten mir in der Zeit nicht nur ein Dach über dem Kopf, sondern auch Hoffnung, dass es im Süden besser sein würde. Ich war positiv gestimmt und radelte zwei Nächte später los. VIER STUNDEN erstmal durch den Verkehr von Auckland (ich hatte bereits die kleinen Straßen ausgewählt und sogar eine Fähre genommen). Bis noch vor paar Jahren war Auckland flächenmäßig die größte Stadt der Welt!! Das liegt daran, dass fast jeder in einem Einfamilienhaus leben möchte und nicht mehrstöckig. Diese Form der Lebensqualität ist sogar im Gesetz niedergeschrieben.

Sobald ich raus aus dem Verkehr war, atmete ich tiiiiief durch und genoss die gute Luft des Landes und des Meeres. Ab jetzt sollte es toll werden! Die Nacht verbrachte ich bei Steve und Luk. Ich hatte sie gefragt, ob ich mein Zelt vor ihrem Haus aufstellen dürfe. Sie sind im Besitz einer der größten Farmen der Nordinsel. Wohin man auch schaut, sieht man ihre Farm, bekomme ich als Info. Über 3000 Schafe und knapp 500 Kühe stehen auf ihren Weiden. Ich durfte bei ihnen duschen und mit ihnen gemeinsam Essen, ohne dass ich danach gefragt hatte. Die Einwohner, die ich ansprach, waren sehr freundlich. Mehrmals war ich „gezwungen“, die Leute zu fragen, ob ich auf ihrem Grund campen dürfe, denn ALLES sonst war mit Zaun abgesperrt.

So erfuhr ich vieles über Land und Leute, duschte fast täglich 🙂 und campte legal. Dennoch bevorzugte ich dort zu übernachten, wo ich es schön fand. Diese Plätze waren aber wegen der Absperrungen oder Ausschilderungen äußerst rar.

In Neuseeland gibt es ab hier in „Thames“ zahlreiche Strecken, extra für Radfahrer angelegt, umgebaut oder nur ausgeschrieben. Den „Hauraki Rail Trail“ nahm ich für den Weg Richtung Süden. Eine alte Bahnstrecke, umgebaut, echt toll! Wenig bis gar kein Verkehr und die Landschaft war auch reizender. Shui lief super und ich fühlte mich besser. In „Matamata“ erkundigte ich mich nach den Hobbit-Häusern und wie man dorthin kommt. Leider sieht man aber nur etwas, wenn man sich einer geführten Bus-Tour anschließt. Tja, also weiterfahren bis zum Ausgangspunkt „Waikato River Trail“. Der war so richtig schön! Zwar nicht immer einfach mit einem voll gepackten Rad, aber landschaftlich um so eindrucksvoller. Diese angelegten Trails sind in verschiedenen Schwierigkeitsstufen eingeteilt. Von ganz einfach bis sehr schwer. Eine gute Übersicht bekommt man im Internet unter „NZ cycle trails“.

Anschließend entschied ich mich für den „Timbertrail“. OUH YEAH!! NUR Wald! … und Wurzeln und Matsch. Aber voll schön! Das besondere an der ganzen Fahrt waren die Vogelgesänge aus den Tiefen des Waldes zu jeder Tageszeit, aber besonders morgens und abends. WOW! Die Fahrt mit Shui allein war schon ein Erlebnis. Ich wurde komplett durchgeschüttelt. Jede Wurzel habe ich registriert. Hin und wieder musste ich Hängebrücken bis zu einer Länge von 141 m und einer Höhe von 53 m überqueren! Ein absolutes Spektakel. Es stimmte alles, die Umgebung, die Gesundheit und die Performance von Shui und meiner Ausrüstung. Ich war happy!

Ich habe oft und lange überlegt, warum es ein so „schwieriger“ Anfang in NZ für mich war und kam zu dem Ergebnis, dass das Land nicht stimmig für MICH ist: Einerseits der Schutz der Natur, angefangen mit sehr strengen Einreisekontrollen. Andererseits dann diese Ausnutzung und Verschmutzung der lebensnotwendigen Natur – der Erde. Ich habe selten, ein Auto mit mehreren Personen als den /die FahrerIn gesehen … nur mal so nebenbei bemerkt.

Aber jetzt war ich bester Hoffnung, dass es besser würde, je weiter südlich ich kam. In der Tat! Nach dem „Timbertrail“ war alles einfacher und das Leben während des Trails hätte nicht schöner sein können. Alles beeinflusste meine Stimmung: das Campen (=weniger Zäune), weniger Verkehr und die Natur wirkte naturbelassener. Mein glückliches Empfinden für das Leben und das Radfahren war wieder da.

Ab „Taumarunui“ folgte ich erstmal dem Highway No.4 mit schöner Aussicht auf den „Tongariro“-National Park, bevor ich nach „Ohakune“ abbog und von dort einer urschönen langen Schotterpiste gen Süden folgte. An diesem Tag waren es nur SIEBEN Fahrzeuge, die ich sah. Herrlich! Einfach nur schön! Sandig gefärbt kam ich im sympathischen „Huntersville“ an und campierte dort im freien Camping- und Picknick- Bereich. Die nächsten kommenden Tage durchfuhren Shui und ich viele schöne kleine Orte und zum Schluss auch noch schöne Weinanbau-Gebiete. In einem der Orte kaufte ich in einem kleinen Laden, der von zwei Männern aus Indien geführt wird, Brot ein. Sofort finden an, uns anzulächeln. Indien ist meine große Liebe und die Menschen dort sind mir einfach vertraut. Mit meinen wenigen Worten Hindi belustigten wir die ganze Brot-Sache und anschließend picknickte ich gemütlich im Park.

Mit großer Vorfreude fuhr ich weiter auf dem Weg nach Wellington. Dort nämlich traf ich meinen Freund aus dem Iran, Mehdi. Auf meiner großen Radreise 2009 von Deutschland nach Hongkong lernte ich ihn kennen und lebte für paar Tage bei ihm in Mashad, eher ich nach Turkmenistan weiterfuhr. Unser Wiedersehen war fast schon brüderlich, wir hatten uns viel zu erzählen und speisten dank seiner Frau Raha, wie damals im Iran, einfach nur köstlich und vollwertig! Beste Nahrung für müde Radfahrer und auch alle anderen 🙂 Mit Mehdi genoss ich seit Langem wieder gutes Brot. Ein echtes deutsches Brot sogar! Wir besuchten eine kleine Bäckerei, die von einem Deutschen geführt wird. LECKER und vital, sag ich da nur. Sauerteig-Roggenbrot vom Feinsten.

Wie es weiterging- auf der Sündinsel- erzähle ich im nächsten Bericht. Vorab: Es wird teilweise unglaublich schön! So richtig unglaublich, aber doch wahr, zum Glück!