Radreise in über die Alpen und durch Italien

Radreise in über die Alpen und durch Italien

Dezember 3, 2015 0 Von Pio

17.09.-03.12.2015

Tag 5 – von Wien bis Kranjska Gora

Seit 4,5 Tagen bin ich bereits unterwegs. Knapp 500km habe ich abgespult. Zumeist bei echt gutem Radlwetter.Gestern bin ich spontan nach Slowenien gefahren. Die Karawanken gehören ja auch zu den Alpen. 🙂

Nja, und soeben genoss ich Champignons vom Rost mit Mandeln und Salzkartoffeln in Kranjska Gora. Soooo schön hier entlang der Berge und des Flusses Sava Dolinka zu radeln. Herrlich! Heute und gestern ist es hier richtig spätsommerlich warm.

Anbei paar Fotos vom gepackten Shui, einer Übernachtung unter der Brücke, Kurzbesuch am tibetischen Linkor in Hüttenberg (Heinrich Harrer Museum).

Gruß aus Kranjska Gora

Tag 10 – von Kranjska Gora bis Malé
Stand: 10 Tage 923 Kilometer 11.105 Höhenmeter

Gestern bin ich in Malé angekommen. Das liegt im „Val di Sole“, das wiederum bedeutet Tal der Sonne. Sonnig ist es, warm auch. Hier bin ich bei Anna untergekommen. Auch sie ist Mitglied bei Warmshowers. Ein Portal für Radfahrer weltweit. Dort kann man sich anschreiben und nach Unterkunft fragen.

Nach Slowenien ging es kurz nach Italien und schließlich wieder nach Österreich zum Weißensee. Von dort gen Westen aber mit Wetterverschlechterung. Bei Lienz hatte ich bereits meinen ersten Schnee. Eisig kalt und dunkel für zwei Tage. Danach, kaum in Italien, wieder superschön sonnig und bis zu 20 Grad! Meine Route ist recht einfach nachzuverfolgen wenn man sich an den hohen Pässen wie Col s. Angelo (1756m), Passo tre Croci (1805m), Passo di Giau (2233m), Passo di Valles (2032m) hält.

Im Etschtal angekommen, sprich auf knapp 200 Meter Höhe, zeigte das Thermometer knapp 30 Grad an. Welch ein Gefühlserlebnis!! Herrlich, die knackige Sonne auf der Haut zu spüren. 🙂

Morgen geht es wieder weiter. Nach einem Tag Ruhe, fühle ich mich wieder bereit. Es warten hohe Pässe auf mich, bevor ich am Lago di Como und Lago Maggiore einen Tag pausiere.

Sonnige Grüße aus Malé

Tag 20 – von Malé bis Grenoble
Stand: 20 Tage (1 Tag Pause in Malé) 1773 Kilometer 19873 Höhenmeter

Jaaa, ich bin jetzt in Fhrankrhreisch unterwegs – gestern in Grenoble eingeradelt. Schon seit Jahren wollte ich mal hierher. Jetzt ist es soweit:

»Ist der Schüler bereit, trifft er seinen Lehrer … oder den Ort.« 🙂

Wie es dazu kam…
Von Malé, meinem letzten Bericht, rollte ich über den Pass Tonale (1883m), mit einer Übernachtung an einem schönen Fleck, hin zum Comersee. Den kannte ich bereits von meinem MTB-Guiding – zumindest einen Teil des Gebiets. Deswegen wollte ich den Rest noch erkunden. Anfangs war es vom Norden kommend entlang der Westküste echt schön und angenehm zu fahren, doch dann fühlte sich die Fahrt auf einmal an, als wäre ich auf einer Autobahn unterwegs. Soooo viel Verkehr. Ich war froh als ich am nächsten Tag mit der Fähre nach Varenna und von dort mit dem Zug nach Mailand fahren konnte. Einen halben Tag verbrachte ich in Mailand radfahrend, beobachtend und interessiert. Welch eine Modestadt. So viele schicke Leute unterwegs. Für die kommende Nacht hatte ich eine Verabredung mit dem Radfahrer Rocco in Lecco. Auch er ist bei Warmshowers. So fuhr ich am Nachmittag wieder mit dem Zug zurück zum Comersee und verbrachte eine interessant-lustige Zeit mit ihm.

Am nächsten Tag, wieder mit sehr viel Verkehr, ging es zuerst von Lecco nach Como, von dort nach Varese und schließlich ins ruhige Laveno und von dort mit der Fähre nach Verbania am Maggiore See. Ach, wie viel schöner der See ist, zum Teil richtig tropisch und stark bewachsen. Einst das Domizil wichtiger, berühmter Persönlichkeiten zu Winter- und Sommerzeit.

Für mich ging es der Westküste entlang rauf nach Cannobio und dann wunderschönst durch die Berge nach Domodossola. Über den Simplon Pass ging es im heftigen Regen, drei Grad über Null, in die Schweiz. Oben auf der Passhöhe fühlte ich mich komplett ausgekühlt und durchnässt. Wenn nicht vom Regen, dann vom Schweiß. Ach wie froh war ich, als es in Brig 18 Grad mehr hatte und die Sonne schien.

Von Brig, wieder aufgewärmt und voller Energie, radelte ich nach Sierre. Dort warteten Nicolas und Valleria auf mich. Beide sind Gastgeber bei Warmshowers. Mit Aussicht auf die hohen Berge, Kaminfeuer, lokalem Wein, Raclette-Käse und anderen Spezialiäten, verwöhnten sie mich bei meinem Aufenthalt.

Mein ursprünglicher Plan war es, von Wien nach Nizza über die höchsten Pässe zu radeln, doch das Wetter spielte leider nicht mit. Ich entschied ich mich, die großen Alpenpässe dieser Reise doch nicht zu wagen. Entweder ist der Herbst/Winter zu früh oder ich zu spät. Alles hat seinen Grund. So fühlt es sich gut an, wenn ich Richtung Genf weiterfahre und die Alpen sozusagen von aussen umradle und erkunde.

Und ich staune mal wieder bzw. bin voll verblüfft, dass das, was auf der Karte gemalt ist, auch so real ist. Denn auf einmal war da der riesige Genfer See. Das Leben ist so spannend, man muss nur um’s Eck schauen.

Ich übernachtete direkt am See, noch auf französischer Seite. Ein kleiner Fleck am Ufer schenkte mir genug Platz um mein Zelt aufzustellen. Ach, welch eine wunderbare Nacht.

Nach Müsli, Tee und Morgenpflege für Shui und mich, ging es entlang des Sees weiter nach Genf und folgend nach Frankreich. Diesmal so richtig Frankreich. Ich sagte zu Shui, »Jetzt fahren wir durch Frankreich mein Lieber.« 🙂

Voller Neugierde rollten wir gen Süden zur romantischen Stadt Annecy. Bei richtig richtig richtigem Regenschauer kam ich an. Sooo gerne hätte ich mir die Stadt angeschaut. Aber leider machte es echt keinen Spaß in diesem Moment. Ich entschied mich, eine Unterkunft zu nehmen und hoffte darauf, dass das Wetter wieder besser werden würde, damit ich das beleuchtete-romantische Flair einfangen kann. Leider noch immer starker Regen.

Eine Nacht später, nicht ganz trocken, aber doch gut zum Aushalten, erkundete ich die Stadt. Sooo lieb und verwinkelt und viele kleine Brücken. Zum Genuss lockte der frisch aufgebaute Markt mit Gemüse, Obst, Wurst- und Käsewaren, Gebäck, Honig und Marmeladen. Ich stattete mich mit Avocados, Tomaten und Vollkornbrot aus und radelte den See von Annecy entlang, bis ich in das »Bauges-Massiv« einbog und es angenehm bergauf ging.

Eine wunderbare Fahrt durch einsame Straßen, kleine Dörfchen, zig Kuhherden, Ausblicke auf die Alpen und das Massiv. Dann, als es wieder hinab ging, kam ich im Savoier Land an – Weinreben links und rechts von mir. Ach, die ganzen Namen, die klingen so schön und edel, und richtig französisch. Erst jetzt ergibt alles einen Sinn, sag ich zu mir. All die Lebensmittel und anderen Produkte von denen ich jahrelang gehört und auch einige probiert habe…

Trotz des mittlerweile regnerischen Wetters, fühlte ich mich positiv, glücklich und zufrieden. Ich fuhr den Fluss Isere entlang und kam am Nachmittag, mit 121 km in den Beinen, in Grenoble an. Keine Wolken mehr, purer Sonnenschein, angenehme Größe einer Stadt, viele Radfahrer, hübsche Gebäude, viiiiele Berge rundherum und mein Gastgeber Jean, der mich mit französischen Köstlichkeiten erwartete. Herrlich! Echt echt schön hier zu sein.

Herzlichst

Tag 31 – von Grenoble bis Nizza
Stand: 31 Tage (1+1+4 Tage Pause) 2356 Kilometer 29148 Höhenmeter

Heute schreibe ich euch aus Nizza…

Einen wunderschönen relaxten Tag verbrachte ich in Grenoble – der Hauptstadt der Alpen. Leckeres Gebäck, guter Kaffee, herzhaft-vitales Essen und gute Gesellschaft von meinem Gastgeber Jean. Einen Tag Pause also, bevor es gestärkt gemeinsam mit Shui in Richtung Französischer Alpen ging.

Das Wetter sollte die Tage mitspielen, auch wenn die Temperaturen am Morgen sehr frisch waren und nur bissi über Null anstiegen. Dafür die Faaaarben der Bäume! Oh Mann! Welch ein Spektakel und Farbenspiel.

Durch farbenreiche Gegenden fuhr ich zunächst nach Vizille, La Mure und schließlich zum Übernachten auf einen geschlossenen Campingplatz in Corps. Sooo schöne Wege, Aussichten und Topographie hier und dann die Faaaarben! Ich konnte nicht genug davon bekommen. Immer wieder hielt ich an und bewunderte das naturelle Schauspiel. Dabei sammelte ich frisch vom Baum gefallene Maronis. Die gab es dann am Abend als Stärkung, erhitzt in der Pfanne. LECKER!

Am nächsten Tag verwöhnte ich mich erstmal mit Kaffee und leckerem Mandel-Croissant in einer kleinen Bäckerei. Danach fuhr ich über malerisches Gefilde und ruhige Wege nach Gap. Viele Spuren der Tour de France waren noch zu erkennen.

In Gap, bei Sonnenschein und Temperaturen von über 20 Grad, legte ich eine lange Mittagspause zum Essen, Schlafen und Aufwärmen in der Sonne ein. Auf dem weiteren Weg Richtung Barcelonnette kam ich an Dörfchen und Gegenden vorbei, die mich immer wieder zum Anhalten brachten, um die Ausblicke förmlich aufzusaugen. Nach einer Übernachtung auf einem Hügel mit Ausblick ins Tal und die Berge rundherum, ging es bei Traumwetter den Pass Cayolle (2326m) hinauf. Eine wahre Schönheit eines Passes. Zusätzlich die Herbstfarben, kaum Verkehr, Shui in Bestform und meine Pumpe tat auch ihr bestes.

Voller Euphorie überlegte ich oben zu bleiben und das Zelt aufzustellen, weil es sooooo schön war. Dann rollte ich paar Meter die Straße hinab und campierte schön gelegen mit Aussicht auf Berge und bunte Wälder – frische Maronis inklusive. 🙂

Weiter ging es die atemberaubende »Dalius«-Schlucht bergab. Es war und ist wirklich sehenswert und mit jedem Meter anders und neu. Selten habe ich so lange für so wenige Kilometer gebraucht. Mit Augen voller Staunen und Bewunderung, fuhr ich immer weiter. Plötzlich ein Schild, das bereits Nizza anzeigte. Verlockend, schließlich sollte die Hafenstadt das Ende meiner ersten Etappe sein. Aber ich war noch nicht soweit. Die Karte zeigte noch paar geheimnisvolle Ecken die es zu erkunden galt. Also bog ich rechts ab und fuhr weiterhin an märchenhaften Landschaften, auf schönen Straßen weiter bis zum OH-MEIN-GOTT-IST-DAS-SCHÖN-Regionaler-Naturpark-Verdon. Jetzt könnte ich eigentlich aufhören zu schreiben, denn es ist einfach nicht zu beschreiben. Vielleicht wird es so klar: 18 km in fünf Stunden.

Ich verbrachte 2,5 Tage in dem Park, davon einen halben Tag im Zelt bei strömendem Regen. Trotzdem – es war wunderschön! Ein Meisterwerk der Natur. Der Grand Canyon von Europa. Der türkisfarbene Fluss Verson fließt etwa 21 km durch eine bis zu 700 Meter tiefe Schlucht. Ich habe, glaube ich, mehr Bremsen verschliessen als Reifen. Ständig anhalten und staunen. Die Höhen und Tiefen, die Farben des Wassers und der Bäume, die Luft und das Beben in mir. WAHNSINN! 🙂

Ungelogen, auf dem weiteren Weg nach Nizza kam ich wieder an soooo hübschen Orten vorbei… Bargemon, Seillans und Fayence. Plötzlich wurde die Umgebung nämlich mediteran, für mich schon fast tropisch. Hunderte Vogelstimmen, Büsche, Palmen, meterhohe Zypressen, Bananenpflanzen usw… OH MANN!

Es wurde viel wärmer und die letzte Nacht vor Nizza verbrachte ich am See St.Cassien. Von dort aus ging es auf einsamen Wegen rauf und runter, wieder rauf und schließlich komplett bergab bis auf 30 Höhenmeter über Cannes und Antibes nach Nizza. Und das entlang der Küste – sprich direkt am MEEEEER bei warmen Temperaturen und Sonnenschein. Ach, ich lächelte vor mich hin. 🙂

Am Flughafen holte ich meine Freundin ab, mit der ich in Nizza verabredet war. Gemeinsam radelten wir (sie mit einem Leihbike) in die Stadt und verbrachten vier sommerliche Tage mit Bummeln, Schlemmen, Essen, BADEN!!, Sonnen, Wandern und bewusst Leben. HERRLICHST!

Ab Morgen, wieder Radl-Time. Monaco und bella Italia…

Herzlichst, braun und heiter,

Tag 41 – von Nizza bis Siena
Stand: 41 Tage (1+1+4+1+2 Tage Pause) 3077 Kilometer 39186 Höhenmeter

Dieses Mal überflute ich euch mit Sonnenschein, Wärme, Meeresrauschen, Wein- und Olivenplantagen, toskanischer Wildnis und selbstverständlich aaaaatemberaubenden Wegen zwischen Nizza und Siena.

Früh morgens, noch vor dem Sonnenaufgang fuhr ich in Nizza los. Die Ruhe, die Frische und kaum Verkehr machten die Fahrt im Dunkeln zu etwas Besonderem. Im Rhythmus mit dem Herzschlag, den man schön »hören« konnte, ging es die steilen Passagen entlang des Meeres hinauf. Bergab etwas schneller mit Aussicht auf die Beleuchtung von den Nachbarstädten und letztendlich Monaco.

Als hätten sich viele AutofahrerInnen den Wecker auf die gleiche Uhrzeit gestellt, gab es urplötzlich jede Menge Verkehr – sowohl nach als auch von Monaco kommend. Dies hatte zur Folge, dass es sich an der Grenze zur Stadt staute. Ich rollte durch die Blechlawine hindurch und fragte mich, ob das wohl jeden Tag so ist, und wenn ja, warum die Leute nicht doch auf das Rad steigen?!

So, hier, das Schild »Monaco«. »Okaaay?!? Jetzt bin ich wohl da.« Und gleich im Anschluss der Impuls: »Nichts wie weg von hier.« Tunnel, Brücken, Beton, Autos, Lärm, Ein-und Ausfahrten, paar Bäumchen und Palmen und Blumen, alles in Bewegung, nur die Mehrfamilien-Häuser bzw. Wohnblöcke stehen still, wirken müde, ja, unlebendig. Ich sagte zu mir: »Wie kann man hier leben?!? Nur um Steuern zu sparen? Welchen Verlust macht man auf Kosten der Lebensqualität?« Oder denke ich falsch? Ich bin sehr froh dort gewesen zu sein und bedauere es nicht, aus Monaco fort zu sein.

Ich bin voller Glück und radle weiter hinaus, entlang des Meeres, mit frischer Brise in der Nase, Sonnenschein im Gesicht und hübscher Natur um mich herum. In Menton ging es über die Grenze nach Italien. Rückblickend hat mich Frankreich sehr positiv überrascht. Ich hatte eine wunderbare Zeit dort. Freundlich-höfliche Menschen, gutes Essen, hübsche Wege und vor allem die Abwechslung der Natur. Frankreichs Natur kann ich nur mit OH-MEIN-GOTT! oder WOW! oder HAMMER! oder MEGA! beschreiben.

Aber gut, jetzt war ich wieder in Italien. Das dritte Mal auf dieser Tour passierte ich die italiensche Grenze. Diesmal wusste ich, sollte es ein bissi länger dauern bis ich sie wieder überquere. Alora – weiter – Meer, Sonnenschein, Wärme und wenig los. Herrlich! Temperaturen bis zu 26 Grad brachten mich dazu, mein Shirt auszuziehen und mit vollem Genuss und einem Lächeln im Gesicht dahin zu rollen. Vor allem zwischen Sanremo und San Lorenzo. Dort nämlich wurde die alte Bahnstrecke zu einer Rad-Bahn umgebaut (www.pistaciclabile.com). Knapp 20 Kilometer autofrei, mit verschiedensten Blumen-Düften, Meerblick und Harmonie. Yeah!

So ging es eigentlch die gesamte Strecke bis ca. 20 km vor Genua dahin. Alte englische Villen, Strände, Promenaden, Restaurants, Kaffeehäuser usw. – Ort für Ort ähnlich und doch anders. Im Reiseführer Ligurien sind die Orte gut beschrieben und man kann so richtig nachvollziehen, wie die gesamte Region entstanden ist bzw. wie sie davor war. Aus kleinen Fischerorten wurden Ferienorte mit Stil.

Genuas Altstadt ist sehr hübsch und verwinkelt – aber auch wie in Monaco wieder vieeeeel Verkehr. Die Jugendherberge liegt knapp 200 Höhenmeter und 6 Kilometer weiter oben als der Stadtkern. Na Servus! Aaaaber, der Ausblick ist überwältigend. Die engen Gassen hochzuradeln war spannend und trotz der Anstrengung doch auch schön. Hat mir gefallen.

Ich blieb für eine Nacht und fuhr dann wieder raus. Raus aus der Stadt, rein in die Natur. In die Wildnis von Ligurien. Über malerisch-kleine Wege hinauf und hinunter durch dschungelartiges Gewächs mit Aussichten auf das Meer, das jedes Mal anders schön schien. Schwitzend, eh schon oben ohne, gings mit Steigungen bis zu 18 Prozent hinauf. Ich sammelte täglich Höhenmeter vergleichbar wie in den Alpen! Aber keinen dieser Meter möchte ich missen. Soooo schön! Lebendig! Spürbar! Ach …

Nach der Erkundung des unbeschreibbar-schönen-Cinque-Terre-Nationalparks schlug ich mein Lager nahe zum Wald auf und wurde mit einer Kulisse beschenkt, die ich nur selten erfahre. Wildschweine! Kaum wurde es dunkel, ein Knaxen hier, ein Knaxen dort, grunsend und atmend. Wie ich so etwas mag. MHMMM! Pur. Ich begrüßte all meine Mitbewohner für die heutige Nacht. Eichhörnchen, Wildschweinchen, Vögelchen, Ameisen, Spinnen … Das ist Leben, Mann! Im Einklang mit der Natur.

Die Nacht war laut, aber so gut, dass ich sie noch immer nachfühlen kann.

Am kommenden Morgen verabschiedete ich mich von Ligurien und begrüßte die Toskana. Als Willkommensgruß gleich mal steile Berge mit knackigen Anstiegen bei Sonnenschein, Vogelstimmen usw.

Das Gebiet Garfagnana, welches ich jetzt durchfuhr, war ein TRAUM! Bunt, einsam, wild, mittelalterlich. Bei meiner Mittagspause, mit frischem Ricotta aus der Käserei und Vollkornbrot aus der Bäckerei, sammelte ich in nur ein paar Minuten über zwei Kilo an dicken Maronis. Auf dem Markt kosten diese zwischen fünf und sieben Euro das Kilo. Überall ist Erntezeit. Oliven und Trauben werden fleißig geerntet. In einer Ölmühle bekomme ich eine kurze Führung über das flüssige Gold.

Alles hat ein Anfang und ein Ende. Vom Samen bis zur Frucht. Seit ich aus Wien losgefahren bin, bin ich nur in der Erntezeit unterwegs. In Österreich waren es Äpfel, Birnen, Zwetschken und Aprikosen. Sowie auch im Etschtal. Dann später in Frankreich die Maronis und alles andere an Obst und Gemüse. Naja und jetzt hier die Oliven und der Chianti Classico.

Seit Wochen spüre ich soooo ein intensives Leben in mir und es führt so weit, dass ich hin und wieder mal zu Shui sag, »Man, es ist so geil hier und jetzt!« :D, verstärkt mit einem kurzen Heber des Lenkers und ich lächle vor mir hin.

Ich bedanke mich für all das, was dazu beiträgt, dass ich hier sein kann. Shui rollt ohne zu meckern. Mein Körper ist fit wie noch nie. Rennrad-Fahrer haben es sichtlich schwer vor mir zu bleiben oder staunen nicht schlecht, wenn ich sie BERGAUF überhole!! OHNE WITZ! 🙂 Für mich ein Beweis des Trainings, der Ernährung und des Erhörens der Körpersignale. OH MAN, DAS LEBEN KANN SOOOO SCHÖN und GUUUT SEIN!

Je nach Topographie und Dauer bzw. Länge der Strecke verbrenne ich am Tag zwischen 4000 und 7000 kcal. Das ist der Vorteil beim Radreisen: Essen ohne Gewichtzunahme. Der Nachteil hingegen: Man ist stets hungrig. Erst seit dem Himalaya und der extremen Radfahrerei dort, ist mir bewusst geworden: Was du dem Körper gibst, bekommst du auch zurück. Meine größte Sorge vor dieser Tour war, nur Weißbrot bzw. Auszugsmehle zu bekommen. Doch ein starkes Umdenken ist hier im Gange. Ich habe bis jetzt überall ein Vollkornbrot kaufen können, teils sogar mit Sauerteig. Vollkorn-Lebensmittel wie Nudeln, Reis oder Quinoa erhält man fast überall. Wenn nicht das, dann mit Sicherheit Kartoffeln als wertvoller Energie- und Mineralien-Lieferant. Untertags versorgt mit Früchten wie Datteln, Feigen, Aprikosen, Khakis, Äpfeln und Nüssen. Viel Fallobst entlang der Straßen bereichert mein Müsli am Morgen und fördert die Leistung meines Körper und Geistes.

Ich schwebe bzw. schweife ab, merke ich, wenn ich das jetzt so schreibe. Es ist mir so wichtig geworden im Einklang mit der Natur, sprich mit dem Körper zu sein. Fast schon meine eigene Philosophie. Es tut so unbeschreiblich gut, dass ich lächeln muss.

Nach dem Garfagnana entschied ich mich vorerst die Berge des Nordens zu verlassen und gen Süden zu radeln. Die Wärme hat schon was…

Ich kam in Pistoia an. Früh morgens, der Markt wurde gerade erst aufgebaut. Es roch nach Petersilie und anderen Kräutern. Die Geräusche des Abladens von Kisten wurden begleitet von Verkäufer-Gequatsche, ein paar wenigen Vogelstimmen und dem Klang der Kirchenglocke. Ich kaufte Khakis, Paprika, Tomaten, Vollkornbrot und ein Croissant mit Ricotta-Füllung. Der Tag konnte eigentlich nicht mehr getoppt werden 🙂

Fast!

Denn dann kam ich in das Chianti-Classico-Gebiet und genoss die hügelige Welt der Toskana mit den farbigen Weinanbau-Teppichen und Zypressen. Welch ein Farbenspiel. Mit der Wärme kamen aber auch die Zecken. Ich vergaß! Gleich drei nahmen mit mir vorlieb und gleich alle drei zog ich samt Kopf heraus.

Als Antibiotikum, gab es am Abend eine ganze Knolle Knoblauch, Spinat und Quinoa mit Zwiebel für die Energie und Erdnüsse zum Abrunden des Ganzen. All das unter dem Dach eines älteren Anwesens. Meine Freiluftküche. Sogar mit Stuhl und Tisch. Die Besitzer sagten sofort, »natürlich« dürfe ich hier übernachten, als ich sie mit meinem Sprachführer fragte, ob ich mein Zelt aufstellen dürfte. Sie schienen sichtlich erfreut darüber, »Gastgeber« zu sein.

Weiter ging es nach Siena für zwei Tage Ruhe. Eine vorhersehbare Schlechtwetterfront lud mich zum Verweilen in das Hostel ein, bevor ich in Richtung Nationalpark Gargano in Apulien weiterradel und es wieder heißt… »back to the road« oder »back to life« 😉

Herzlichst, vital und neugierig,

Tag 51 – von Siena bis Neapel
Stand: 51 Tage (1+1+4+1+2+2 Tage Pause) 3744 Kilometer 47323 Höhenmeter

Ich fahre dem Sommer entgegen – zumindest kommt es mir so vor – spürbar von Tag zu Tag. Manchmal, wenn ich um ein gigantisches Eck eines Berges komme, strömt mir herrlich-warme Luft entgegen und das Thermometer an meinem Tacho zeigt steigende Temperaturen an.

In Siena, meinem letzten Aufenthaltsort, hatte ich eine beeindruckende Zeit. Welch eine hübsche Stadt mit einer überwältigenden Architektur. So eine Art: »Must have seen before you die« 🙂 Wirklich verlockend zum Dasitzen, Staunen und Hineinversetzen in die Geschichte am »Piazza del Campo«.

Zwei Nächte verbrachte ich in einem angenehmen Hostel. Von dort ging es weiter, zunächst Richtung Süden durch die wahre Toskana mit einsamen Hügeln, kargen Feldern und wenigen Bäumen. Dennoch, an Höhenmetern hat es nicht gefehlt. Wie schon die Tage vor Siena sammelte ich bis zu 1700 hm am Tag und das bei nur knapp 80 km Strecke. Aaaaaber, schee wars! Und das Beste: Es fühlte sich an, als wäre ich der einzige Mensch weit und breit – kaum befahren das Land. Seltsam, die Weite und Leere und urplötzlich wieder ein kleines Dörfchen mit schicken Bauten. Die Reiseführer beschreiben diese Orte (z.B. Buonconvento, Pienza uvm.) echt gut. Durch das Val d’Orcia (Orciatal), welches zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört, ging es weiter, rauf und wieder runter. Die Ausblicke waren malerisch – so wie ich die Toskana von irgendwelchen Fotos oder Malereien im Kopf hatte. In der Ferne ein paar vereinzelte Bäumchen, Bauernhöfe, einsame Häuschen und rundherum nur Felder mit aufgearbeitem Boden aus dichter Lehm-Erde. Ein besonderes Schauspiel!

Die Temperaturen waren gut drauf :). Schweißtropfen, glänzende Haut und nasse Kleidung. Bei meiner Ernährung achte ich ab jetzt auch auf genug gutes Salz. Wasser bekomme ich in fast jeder Ortschaft aus den Brunnen. Entweder im Zentrum, an Spielplätzen oder irgendwo entlang der Hauptstraße. Und wenn nicht dort, dann fragt man einfach jemanden und wird herzlichst bedient.

Unterwegs traf ich Claudia aus Kampanien. Mit ihren jungen 22 Jahren wanderte sie direkt nach ihrem Studien-Abschluss vier Tage durch die Pampa und freute sich nur noch aufs Ankommen in Siena. Wir unterhielten uns für eine Weile, eher wir getrennte Wege gingen und ich mein Zelt mal wieder zwischen Olivenbäumen aufstellte.

Meine Route ging immer noch gen Süden. Aber vorerst wurde es nicht flacher. Ich hatte mir als letztes Schmankerl der Toskana den höchsten Berg ausgesucht: den Monte Amiata, mit seinen 1738 m Höhe, auf dem im Winter Ski-Betrieb herrscht. Ich fuhr nicht komplett hinauf, sondern nur bis zur Ortschaft Abbiada San Salvatore. Die Ausblicke! Die Wälder! Die FARBEN! Die Vogelgesänge! Mhmmmm. Sooo gut. Dann, als es wieder bergab ging, entschied ich mich zu einem Abstecher nach Sorano. Na Servus! Welch ein Anblick! Ich staunte, war überwältigt von dieser Architektur. Eine Stadt auf Felsen gebaut. Steil bergab bzw. bergauf ging es. Dort, im Ort selber, herrschte Halloween. Kleine Gespenster, Spiderman´s, Mumien, usw. liefen herum und fragten noch Süßigkeiten. Liab! 🙂

Ich radelte an einem kleinen Konzert vorbei als ich durch Lautsprecher irgendetwas auf Italienisch gefragt wurde … Ich antwortete mit dem Satz, den ich fest eingemeißelt habe: »Io non parlo bene I´ítaliano.« (Ich spreche nicht gut Italienisch). Darauf folgte auf Englisch, »Wo kommst du her?«. »Aus Wien-Österreich«. Die gesamte Ortgemeinde mit verwunderten Blicken auf mich schauend: »Mit dem Fahrrad??????« Und ich: »Ja :)« Und der Sprecher: »DU BIST VERRÜCKT!« Und alle lachten. »Wohin fährst du?«, »Nach Sizilien.« »Mit dem Fahrrad nach Sizilien??????? DU BIST VERRÜCKT!« Und ich antwortete: »Danke!« 🙂 Es hallte richtig in der kleinen hübschen Stadt. Denn alle lachten, lächelten und staunten über Shui und mich. Wir verabschiedeten uns. Ein paar hundert Meter weiter hielt ich an, um meinen Wasservorrat für die Nacht und den kommenden Tag aufzufüllen. Dort sprach mich der Ladenbesitzer Nicola an und stellte mir die gleichen Fragen. Erstaunt ludt er mich auf frisches Brot mit ganz frischem, leuchtend grünem Olivenöl ein. MNIIAAAM! BOAH! Er machte zwei Fotos, um mich dann auf Facebook zu verlinken.

Ich radelte weiter, bog auf eine Wiese ab und baute mein Zelt auf. Zu Essen gab es Quinoa, Karotten, Zwiebeln, Knoblauch, Salz und Olivenöl. Dazu wie fast jeden Abend, eine Pfanne mit Maronis. Am Morgen aß ich Müsli mit Früchten und Nüssen sowie schwarzen Tee. Morgenpflege für Shui und mich, Zelt abbauen, Gepäcktaschen packen, aufspannen und weiter ging es nach Pitigliano. PHUUUU! OH MANN! GRANDIIIIOOOS! Soooo schön. Nicht in Worte zu fassen. Deswegen gehts weiter … 🙂

Zwischen Siena und letzter Nacht entschied ich die anvisierte Zwischenstation, den Gargano National Park in Apulien, doch nicht anzufahren. Nach langwieriger Studie des Kartenmaterials würde es »zu viel« werden. So entschied ich mich, die Richtung Süden beizubehalten. Jedoch wollte ich unbedingt Rom meiden und durch die Anfänge der Berge der Abruzzen fahren.

Je weiter südlich ich komme, desto offener, wärmer und interessierter werden die Menschen. Ein gutes Gefühl, sich nicht als Fremder zu fühlen! Geborgenheit, Menschlichkeit, Grenzenlosigkeit – wie zu Hause 🙂 »Home is, where you heart is« – right?

Mit immer mehr zurückgelegten Kilometern kam ich in die Region Latium und es wurde alt! Es gibt hier Dörfchen, die die ältesten Europas sein sollen. Die Architektur – sehenswert, doch mich interessiert am aller-aller-aller-meisten der Weg, das Unterwegssein, das Leben und der Kontakt zu den Einheimischen.

Ich beobachtete zunächst von außen, wie in einer kleinen Garage Oliven gereinigt bzw. die Blätter aus der Olivenernte entfernt wurden. Kurz darauf stand ich in der Garage und dokumentierte den Arbeitsprozess mit Fotos und Video. Stellte die einfachsten Fragen und war mitten drin statt nur dabei. Einen Liter des frischgepressten Öls konnte man direkt dort für sechs bis acht Euro erwerben.

Weiter in Latium und den Bergen erlebte ich einsame Wege und ein ruhiges Leben. An zwei Zeltplätzen aber, eine Geräuschkulisse, ULTRA LAUT. Warum?!? Eine Nacht verbrachte ich – es ergab sich nicht anders – direkt neben vier Gleisen. Alle Viertelstunde düsten italienische ICE´s mit zischendem Tempo vorbei. Ich schmunzelte und dachte nur, »welch ein verrückter Platz zum Campen«. Aber gut, so sollte es wohl sein und ich machte das Beste draus – ich bewunderte die Technik.

Am zweiten Platz zum Nächtigen waren auch wieder Gleise, doch nur zwei. Dafür waren diese nur geschätzte drei Meter von mir entfernt und es rollte ein Bummelzug darauf. Auch der fuhr häufig. Jede dreißig Minuten. Hin und Her. Ich schmunzelte im Zelt, als der Boden bebte und das Zelt bissi flatterte. Ab neun Uhr abends wurde es schließlich ruhiger und ab fünf Uhr wurde der Boden wieder gelockert. Ach, sooooo bunt ist das Leben. 🙂 Was sich wohl die Passagiere in dem Zug dachten? Denn schließlich war der bebende Zug ja sehr langsam und es gab ein recht langes Zeitfenster um mich, Shui und mein Zelt zu beobachten.

Zusammengepackt und weiter ging es. Kurz hinein nach Tivoli und dann weiter durch die schöne Gegend Richtung Fiuggi, dem größten Thermenort Italiens. Die einzige Erholung bzw. Stärkung, die ich mir dort holte, war Gemüse für das Abendessen. Danach rollte ich noch ein bisschen und zeltete schließlich in der Nähe des sehr sehenswerten Sees Lago di Canterno. Eine weitere, schon unzählbare Nacht, die ich mit dem Besuch von Wildschweinen verbringe. Besonders war der Morgen mit dem Blick auf den Nebel über dem See!

Dann war der Tag gekommen: Ich verließ vorerst die Berge und fuhr lange abwärts ins Tal bzw. ans Meer nach Sperlonga. Es schien, als wäre man plötzlich an der Küste Griechenlands, die weißen Häuschen schauten auf das Meer hinaus. Und dort … Campen. Klar, am Strand. Eigentlich mag ich Sand nicht so besonders. Ich fand ein kleines Stück Grün und stellte mein Zelt auf, ehe mich die Stechmücken aussaugten. Ich wunderte mich eh ein bisschen über so ein hübsches Grün am Strand auf einem Podest … aber gut. Das gekochte Essen konnte ich nur im Moskitonetz meines Zeltes genießen. Nach der Abendpflege überlegte ich noch, ob ich überhaupt das Außenzelt darüber spannen sollte. Schließlich war kein Regen in Sicht. Wie dem auch sei, ich tat es trotzdem. Sobald die Sonne untergegangen ist, studiere ich meist noch etwas die Karten und Reiseführer und schlafe dann gegen acht Uhr ein.

Gegen Mitternacht, PLÖTZLICH REGEN! Komischer Regen, schrittweise… Klar, eine Wassersprinkler-Anlage mit ganz viel Wasser. Oh Nein! Im verschlafenen Zustand mache ich nur das Zelt komplett zu, lege mich wieder hin, fange an zu schmunzeln und sage zu Shui »NA SERVUS!« 🙂

Nach genau einer halben Stunde war der »Regen« vorbei. Ich machte das Zelt wieder auf, denn mit 18 Grad war es mir doch zu warm geworden.

Eine Stunde später: REGEN. Diesmal von der anderen Seite. SUPER! Gleiche Prozedur – Zelt zumachen, hinlegen, schmunzeln. Ich schlief dann bis zum Morgen durch, genoss mein Frühstück, packte das komplett nasse Zelt auf die Gepäcktaschen und fuhr wieder los.

Mit »high-speed« bewegte ich mich auf Neapel zu. Während der Fahrt wurde ich zweimal von interessierten Einheimischen angehalten und ausgefragt. Ein anderer Radfahrer tat dies sogar während der Fahrt.

In Neapel verbrachte ich eine interessant-nette Zeit in einem angenehmen Hostel. Ich traf Radfahrer aus der »Warmshowers-Gemeinschaft«, mit denen ich eine schöne Zeit hatte, Pizza, Eis und Kaffee genießen konnte.

Und nun geht es weiter Richtung Süden, durch Kampanien nach Kalabrien. Freue mich schon sehr.

Herzlichst, lebendig und satt,

Tag 61 – von Neapel bis Tropea
Stand: 61 Tage (1+1+4+1+2+2+1 Tage Pause) 4445 Kilometer 57692 Höhenmeter

Nach dem reichhaltigen Frühstück im Hostel in Napoli, packte ich all meinen Kramsch zusammen, verabschiedete mich von allen anderen aus der ganzen Welt und rollte los. Ach, wie ich solch einen Verkehr mag. Chaotisch aber doch funktionierend, sodass ich mich sicher fühle. Es fährt eigentlich jeder wie er mag, aber gleichzeitig passt irgendwie jeder auf den anderen auf und dadurch läufts meist gut. Nur die Qualität der Straßen und die groben Pflaster-Steine sind gefährlich.

Als ich mich in Napoli mit Marco von Warmshowers traf und wir spazieren waren, fragte er mich wie mir Napoli gefiele und ich antwortete: Es kommt mir ein bisschen vor wie in Indien. Er lächelte und meinte, dass sagten ihm ALLE, die bereits in Indien waren. Und tatsächlich – dieser Verkehr… Und sonst auch von der Umgebung… Es ist schon schmutzig und es liegt viel Müll herum. Abends ist es sehr dunkel, da die Stadt nicht besonders gut beleuchtet ist. Aber genau das macht eben den Charme aus. Ich fühlte mich pudelwohl. Dies ist die erste Großstadt seit Wien, die mir so richtig richtig gut gefällt!

Nur das Radfahren und das Geholpere…mhm…

Ich fuhr also raus aus Napoli – aber so wirklich aus dem Stadtverkehr heraus kam ich nicht. Knappe 50 Kilometer ging es eigentlich durch einen »Häusertunnel« Richtung Salerno. Ampeln, ein-und ausparkende Autos, Fußgänger, Schlaglöcher, fiese Pflastersteine, Lärm und Abgase. All das ist überhaupt nicht das meine, aber irgendwie gings gerade nicht anders, denn so war meine geplante Route. Ich schaute immer wieder links durch die Häuser auf den Vulkan Vesuv und konnte es nicht erwarten endlich mal wieder raus aus dem Getümmel zu sein. Sehr gefreut habe ich mich, als ich einen offenen Grill mit gaaaanz viel Rauch am Straßenrand sah und zur Kostprobe eingeladen wurde. Ich hatte plötzlich das Gefühl weit im Osten Europas oder mitten in Zentralasien zu sein. Der Geruch, die Schlichtheit des Grills und die Freundlichkeit des Ehepaares, zusätzlich die Kostprobe »eine gegrillte Artischocke« – ich war wie weggebeamt. Ich fühlte mich hervorragend!

Dann, NACH Salerno, war es so weit: kaum Verkehr, einsame Straßen, wärmende Sonne und rechts von mir nur Sand und Meer.

Ich machte Pause mit Brot und Gemüse, schlief eine kurze Weile und fuhr weiter bis kurz vor Paestum. Dort schlug ich mein Lager am Strand auf, jedoch diesmal auf einem Betonpodest an einem geschlossenem Strandcampingplatz. Der Besitzer, kam dann bissi später, stellte sich vor und fragte mich interessiert auf Deutsch aus. Ich war somit offiziell von ihm eingeladen. Es war eine wunderbare Nacht mit Sternen und Wassermusik. Das Beste: Beton muss nicht bewässert werden, weshalb mir der spontane nächtliche »Regenschauer« erspart blieb (letzter Bericht).

Von Paestum ging es dann endlich wieder in die Berge. Ich freute mich schon sehr darauf, denn ich wusste, dass es dort wilder, unberührter und noch ruhiger werden würde. Außerdem sollte es hier in den Bergen sogar noch Wölfe geben. Und in meinem Reiseführer steht geschrieben, dass die Menschen hier besonders nett sein sollen.

Also los, bergauf, Meter für Meter in den Cilento-Nationalpark. Die Aussichten wurden spektakulär und es wirkte auf mich so, als sei ich ganz wo anders, aber sicher nicht in Italien. Kaum mehr Verkehr und wenn Autos vorbeikamen, dann waren es freundliche Fahrer, die mich mit einem »Ciao«, »Salve« oder einem kurzen Anhupen grüßten. Echt schee!

Ich baute mein Zelt mal wieder malerisch zwischen Olivenbäumen auf und bekam ein Naturphänomen zu sehen, welches einfach nicht in Worte zu fassen ist: Hunderte kleine Vögelchen flogen in einem Schwarm. Ganz schnell, uuur wendig, und kreierten so ein Licht- und Schatten-Spiel, dass einen einfach zum Staunen bringt. Es war schon auch sehr laut, aber genau das verstärkt das Ganze. BOAH. MEGA!

Am nächsten Tag ging es über einen hübschen Pass (1026m) nach Teggiano. Auf dem Weg dorthin fesselte mich immer wieder das Wolken/Nebel-Spektakel und Berge, die wie aus dem Nichts erschienen. Auf Almen grasten etliche Kühe, deren Glocken ihre eigene Musik spielten und so dem Ganzen ein besonderes Flair schenkten. Oh Mann, das war echt so herrlich! Ich beobachtete nach einer Weile einen Alm-Auftrieb. Die Rinder waren so schön. Majestätisch! Die Hörner lang, groß, mehrfarbig, spitzig. Die riesigen Glocken um ihre Hälser bimmelten lautstark. Ich hatte Gänsehaut…

Die Regionen Italiens, Kampanien, Basilikata und Kalabrien nenne ich für mich eine Achterbahn nur ohne Loopings. Es ging tatsächlich ständig rauf und runter. Ich sammelte jeden Tag knapp 1500 hm.

Am Weg durch das Örtchen Teggiano sprachen mich gleich mehrere nette Menschen an. Ein älterer herzlicher Herr, der am Straßenrand sein Gemüse anbot, wollte fotografiert werden. Ich liebe solche Momente. Er verkaufte mit Leidenschaft und all seine Lebensmittel waren von ihm eigenes an-und abgebaut! Hier hat auch das Gemüse Herz!

Nach dem netten Herrn, ging es weiter. Bergauf natürlich. Ich schwitzte aus jeder Pore, war durchnässt aber froh hier zu sein. Ich fühlte mich großartig. In Montesano füllte ich meine Wasserflaschen am Brunnen auf und bestellte daraufhin einen Kaffee. Und schon wurde ich gefragt: Woher, wohin, wie lange…? Es endete damit, dass ich hinter der Theke stand und am Computer meine Route von Wien aus zeigte. Der Café-Besitzer und die paar wenigen Gästen standen gebannt um mich herum. Das sind echt so scheene Momente. Durch den Dialog kommt man zusammen.

Bergab und wieder … 🙂 gings auf Panorama Straßen mit weiten Ausblicken so dahin. Eine Nacht verbrachte ich in einer kleinen offenen Garage. Von dort aus, radelte ich am nächsten Tag durch ein Wald-Meer. So dicht, so bunt und so stark belebt mit Vögeln. Die Sonne blitzelte hindurch und Autos fuhren so gut wie gar keine. In Latronico kaufe ich für mein Mittag- und Abendessen ein. Vollkornbrot bekam ich wie üblich aus der Bäckerei. Im Obst-und Gemüse Laden von Egidio wurde mir meine ausgewählte Sammlung mit den Worten »Das ist ein Geschenk aus der Region.« übergeben. Khakis, Feigen, Bananen, Tomaten, Kartoffeln und Zwiebeln. Egidio war es eine Freude über seine Früchte zu sprechen. In gebrochenem Englisch, aber mit ganzer Leidenschaft. Ich war überwältigt und bis zu meinen Haarspitzen glücklich. Nicht, weil ich nichts bezahlen musste, sondern über die Geste, die Menschlichkeit, die Freude am Teilen, Leidenschaft und über den Dialog.

Ein paar tausend Höhenmeter weiter kam ich im Pollino-Nationalpark an. Es ging weiterhin auf fast autofreien, aussichtsreichen Straßen. Es war so schön still. Meinen Herzschlag, den Soundtrack meines Lebens, hörte ich immer wieder. Die Faszination Leben. Bei jedem Herzschlag, Herzklappe auf und Herzklappe zu. Millionen Blutkörperchen hinein und wieder heraus. Muskel Anspannung. Muskel Entspannung. So viele Prozesse gleichzeitig. Unglaublich Spannend. Und das allerschönste – man ist ein Teil davon :).

Raus aus dem Nationalpark fuhr ich von über 1000 hm auf etwas über 100 hm herab. In Castrovillari angekommen, kaufte ich ein, quatschte ein bisschen und fuhr weiter durch mal wieder komplett andere Landschaft. Es ergab sich eine gute Möglichkeit, mal die Haare zu waschen. Die Kraft der Sonne und des Fahrtwindes taten den Rest.

Kurz vor Acri, kurz vor dem Sila-Nationalpark, übernachtete ich auf einem netten Fleckchen mit fast 360° Aussicht. Hier gönnte ich Shui eine ordentliche Pflege. Ein neues Schaltseil und die Bremsbeläge habe ich bisschen anders platziert, damit die Felgen gleichmäßig abgebremst werden. Dann noch Luftdruck überprüft bzw. anpasst, Kette umgedreht und letztendlich den gesamten Antrieb gereinigt und geölt. Am nächsten Tag, Leute, welch ein Genuss des Radfahrens! Jeder Gang sitzt, die Bremsen greifen kräftig, die Kette surrt, die Reifen rollen fast ohne Widerstand. MEGA!

Mit diesen unbeschreiblich guten Gefühlen ging es lange lange bergauf in den Sila-Nationalpark, dem Zuhause der Apenninenwölfe. Ich zitiere aus dem Reiseführer: »Von hohen Wäldern und Seen bedeckt, wirkt die ausgedehnte Hochebene wie ein Stück Skandinavien im Mezzogiorno. Das grüne Herz Kalabriens…« So fühlte es sich auch an. Dichte Wälder mit zum Teil riesigen Kiefern. Die Umgebung wirkte niemals-endend-riesig. Ich war voll bei mir, genoss die Ruhe, das Radfahren, den Herzschlag, das Atmen, die Farben und war ausgesprochen überwältigt vom Ganzen. Am See Arvo stellte ich unterhalb einer geschlossenen Bar mein Moskitonetz-Zelt auf. Kühle Temperaturen untertags auf knapp 1500m Höhe und noch kühlere am Morgen. Frostig wars beim losradeln waren es nur noch 4,5° C. Die Gräser und Sträucher im Schatten der Morgensonne noch vereist, glänzten und funkelten in voller Pracht wie Kristalle.

Ich freute mich über die Abwechslung. So konnte ich mal wieder all meine Kleidung anziehen, die ich so mitschleppe. Doch dies dauerte dann nicht all zu lange, denn dann gings lange lange bergab, zurück in die Wärme, zurück zu den Olivenhainen. Angeblich kommt aus Kalabrien das beste Olivenöl. Vielleicht wegen der anhaltenden milden Temperaturen bis hin in den November?! Jedenfalls kam ich an Bäumen vorbei, die bereits 350 bis 400 Jahre alt sind und noch immer enorme Ernte geben. Nicht besonders hoch sind sie, dafür die Stämme immens breit (geschätzt bis zu 1,5m).

Dann, hatte mich die Wärme wieder. Herrlich! Kurze Hose, Shirt, Sonnenbrille. Yeah! Klasse. Auch die Einheimischen im kurzen Gewand. Es ist ein schönes Bild des momentanen Lebens, welches mich zum Schmunzeln und fast Ekstase bringt. Zusammengestückelt aus einzelnen Fragmenten: Wenn dich ein Opa auf einem Mofa im T-Shirt und blauen Cappy überholt und grüßt oder die Eidechsen noch blitzschnell die Straßen überqueren, die Gerüche der Luft kunterbunt variieren, die Kakteen ihre Früchte tragen. Wenn du dich bereits seit Wochen von Lebensmitteln ernährst und nicht von Produkten, seit Tagen ohne einen Gramm raffinierten Zucker in Topform fährst, der Herzschlag beweist dass du LEBST. Wenn die Blumen gedeihen und Bienen umhersummen, Menschen sich auf der Straße grüßen und (dir) Lächeln schenken, das Trinkwasser aus Brunnen entspringt. Wenn du merkst, dass du alles das, was du zum unterwegs sein brauchst, an deinem Rad hast und du mit all deinen geschenkten Sinnen in FRIEDEN radelst. Das Gesamtbild stimmt. Und irgendwie dreht sich alles. Eben wie ein Rad. It´s all about cycling.

Das Meer war bereits zu sehen und zu riechen, ich steuerte meinen Gastgeber Salvatore aus Warmshowers in den Hügeln oberhalb von Tropea an. Von Pizzo bis Tropea fuhr ich entlang der Küste, das Meer in den Farben von Dunkelblau bis Türkis. Danach geht es auf knapp 500 Meter hoch, hier werde ich für zwei Nächte von Lisa und Salavatore großzügig aufgenommen. Ein kleines Holzhäuschen für mich alleine in einem riesigen Garten auf fruchtbarem Boden. Oliven, Bananen, Khakis, Äpfel, Weintrauben, Tomaten, Kürbis, Gurken, Kiwis, etc.. wachsen hier. Eigenen Wein und Öl produzieren Lisa und Salvatore. Mmmmh, sehr lecker!!

Auf der Terrasse lausche ich der Natur, genieße Tee, schreibe diesen Bericht, schaue nebenbei den Früchten beim wachsen zu :), beobachte Katzen auf ihren Patrouillen und gedenke den Opfern von Frankreich. -»May Peace and Cycling prevail on the Earth.« – wie mein Freund Bijan aus dem Iran sagt.

Von hier aus ist Sizilien zum greifen nahe. Ich nähere mich meinem Ziel Palermo. Bei den geplanten 61 Tagen und 3500 Kilometern wird es nicht bleiben, aber das macht nichts, denn mit jedem Tag und seinen unzählbaren Atemzügen, Herzschlägen und Augenblicken, verstehe ich umso mehr, was es heißt »Der Weg ist das Ziel«.

Herzlichst, nachdenklich aber positiv gestimmt,

Tag 76 – über Palermo zurück nach Wien
letzer Stand: 76 Tage (1+1+4+1+2+2+1+1+7 Tage Pause) 5207 Kilometer. 69121 Höhenmeter und insgesamt 277:46 Stunden im Sattel

Eine weitere Lebenszeit voller Augenblicke, Erdumdrehungen, Seemeilen, Rad- und Zugkilometer ist vergangen. Ich berichte aus Wien, meinem Ziel und somit Ende meiner Grand-Alps-Italy-Tour.

Nachdem ich die erholsam-lebendige Zeit in Tropea bei Salvatore von Warmshowers so richtig genossen hatte, brach ich nach dem Frühstück langsam auf. Ich blieb hier und da mal stehen, bewunderte die Ausblicke auf Meer und Berge, pflückte die eine oder andere Mandarine und rollte weiter. Es ging für knapp hundert Kilometer an der Küste von Kalabrien entlang, nicht immer direkt am Meer. Dafür die ganze Strecke bergauf und bergab. Ich staunte als ich später auf meinen Tacho schaute und es mal wieder über 1.500 Höhenmeter am Tag waren. Gibts doch nicht, sagte ich zu mir. Wenn man aber all die ganzen Hügelchen und Kanaldeckel zusammenzählt, stimmts.

In Villa San Giovanni angekommen, stellte ich mein Zelt am Platz einer stillgelegten Baustelle auf. Schön mit weichem Gras bewachsen, war sie die perfekte „Matratze“. Bei Dämmerung bereitete ich mir mein Kraftessen zu, beobachtete den schönen Mond, lauschte dem Klang der Welt und freute mich auf den nächsten Tag. Von hier aus nämlich wollte ich die Fähre nach Sizilien nehmen. Ich genoss das Licht des Mondes und das Zirpen der Grillen. Ach, wie im Sommer, irgendwo am See oder auf einer Wiese. Ich schlief ein und hatte einen echt guten Schlaf.

Am Morgen, fast die gleiche Prozedur wie sonst auch. Alles wieder am Shui, fuhr ich los. Hielt kurz am Obstladen und folgte den Schildern zur Fähre.

Drei Euro für die knapp 20 minütige Fahrt nach Messina auf Sizilien. Dann war ich da! Eigentlich nichts besonderes, schließlich hatte sich ja nichts verändert. Außer den Koordinaten. Dennoch lief bei mir ein Prozess im Kopf ab, der mich zum Schmunzeln brachte und Freude aufsteigen ließ. Mit Shui ganz Italien durchfahren?!?!?! Oh man! Ich schmunzelte länger vor mich hin.

Nach der ganzen Schmunzelei fuhr ich weiter und schmunzelte noch immer 🙂 He he … aber gut! Ich fuhr weiter. Entlang des Meeres in Richtung Catania. Mein Ziel war der Vulkan Ätna. Ist doch klar, logisch.

Die Straße an der Küste war zum Glück wenig befahren und so konnte ich die Fahrt genießen und hin und wieder mal stehen bleiben. Die Sonne schenkte mir sommerliche Temperaturen. Es war super! Irgendwann bog ich nach rechts ab und es ging nur noch bergauf nach Linguaglossa. Durchgeschwitzt kam ich dort an und mein Tacho zeigte über 500 Meter Höhe an. Ich füllte meine Wasserflaschen auf, kaufte noch etwas Gemüse und fuhr in Richtung Ätna. Schön langsam, damit ich noch meine Kleidung an mir trocken bekam. Ein hübscher Platz bot sich zum Campieren an. Wenn die Wolken nicht so tief unten gehangen hätten, hätte ich den Vulkan direkt hinter mir zu sehen bekommen. Aber gut, vielleicht später, dachte ich mir.

Das Zelt stand, der Kocher gab sein Bestes und die paar hundert Schafe gingen auch vorbei. Der Schäfer fragte noch nach einer Zigarette und wünschte eine gute Nacht. Und das war sie auch.

Morgens ging es weiter bergauf. Die ersten Schilder mit braunem Hintergrund und „Etna“-Aufschrift wiesen mir den Weg. Hinauf, hinauf, hinauf gings. Kaum Verkehr. Einsame Straße, bunte Wälder, Büsche und hinter mir das Meer. Aber das Allerallerallerschönste! Der Blick nach Vorne. Der Ätna war wunderschön zu sehen: mit Rauch, gelb-weißer Kruste, Schnee, blauem Himmel und den herbstlichen Wäldern. OUH YEAH! Leute, es war so schön! Das Hochfahren ging schon wie von alleine – knapp 1600 Höhenmeter am Stück. Gedoped mit Feigen, Datteln, Khaki und einer Banane putschte ich mich da hoch. Es war so toll. Echt! Immer wieder ging der Blick zum Gipfel des 3323 Meter hohen „Berges“. Ich schwitze aus jeder Pore. Weiter und weiter kam ich schließlich auf ca. 1980 Metern Höhe an. Dort gratulierten mir Leute, die mich vorher mit ihren Autos überholt hatten. Ich war einfach nur überwältigt.

Voller Energie rollte und rollte ich dann knapp 1500 Meter bergab bis kurz vor Adrano. Dort bog ich rechts ab und fuhr nach Bronte. Ich erhoffte mir dadurch eine andere Sicht auf den Ätna zu bekommen, aber dieser war bereits wieder von Wolken umhüllt.

Ich besorgte Essen und füllte meine Wasserflaschen auf, quatschte mit dem Ladenbesitzer und fuhr weiter Richtung Cesaro. Irgendwo dazwischen stellte ich mein Zelt auf. Am Morgen, als ich aus dem Zelt hinausschaute, um alle zu begrüßen, sagte ich „BOAH!-Na da schau her!-Hallo!“ Der Ätna in voller Pracht mit Rauch und orangem Licht der Sonne. Ich beobachtete das Spektakel.

Frühmorgens war das Wetter noch gut, doch dann schlug es plötzlich um und es wurde kühler, windig und eher schattig. Kaum mehr Sonne. Die Fahrt ging weiter Richtung Westen, mein neues Ziel war Sciacca an der süd-östlichen Küste der Insel. Über viele viele Hügel ging es so dahin, die Landschaft veränderte sich kaum. Ganz viele Felder, kaum mehr Bäume, vereinzelte Bauernhöfe, hier und da mal eine Stadt auf einem Podest. Besonders gut hat mir diese Gegend nicht gefallen. Die Aussicht auf den bereits weit entfernten Vulkan war jedoch ein guter Trost.

Zwei Tage vor Sciacca, wurde der (Gegen-) Wind so stark, dass es sehr anstrengend war, überhaupt vorwärts zu kommen. Bergauf musste ich treten und bergab auch. In den Kurven und somit Querwinden war es auch nicht lustig. A Radlwetter wars ned! Francesco, ein Obst-und Gemüsebauer, winkte mich zu sich als ich an ihm vorbei fuhr. Wir unterhielten uns auf Deutsch, Englisch und Italienisch. Von allem ein bisschen. Kurzer Hand hatte ich knapp drei Kilo Orangen in meinen Taschen, einen Liter frisch gepresstes Olivenöl und 400 Gramm Mandeln. Die Orangen gab es als Geschenk. Danach ging es weiter. Ich kämpfte mich durch und kam dann endlich an. Franco von Warmshowers nam mich für zwei Nächte bei sich im Haus am Meer auf – schon der zweite Francesco an diesem Tag. Ein Aussteiger, der unter einfachsten Bedingungen in und mit der Natur lebt und vieles selber anbaut.

In kurzer Zeit konnte ich sehr viel Neues lernen. Am zweiten Tag fuhren wir zum zweitgrößten Sardinen-Hafen Italiens. Franco erklärte mir, wie hier die Geschäfte ablaufen: Wer bekommt wann welchen Fisch? Zu welch utopischen Preisen werden die Fische verkauft? Wohin werden diese in kürzester Zeit geliefert? Die Fischpreispolitik erklärte er mir am Beispiel einer Uhr: Jede Stunde der Uhr entspricht einem Käufer bzw. Zwischenhändler der Ware. Ein Uhr = Startpreis auf dem Fischmarkt. Zwei Uhr = doppelter Preis beim zweiten Händler. Drei Uhr = nächste Station in der Handelskette bei dreifachem Preis. 4 Uhr = vierfacher Preis … und so weiter … Verrückte Welt!

Franco machte mich auf etwas aufmerksam, das für mich auf den ersten Blick „ganz normal“ aussah. Nach dem Abladen der Fische vom Boot wurden diese mit „Wasser“ übergossen und mit Eisflocken bedeckt. Allerdings war es gar kein Wasser, sondern eine Chemikalie! Diese wurde genutzt, damit die Fische noch nach ein oder zwei Tagen im Kühltransporter „frisch“ aussehen. Das kanns doch wohl nicht geben! Innerlich schockiert, verärgert und enttäuscht fiel mir die nächte Absonderlichkeit auf. Die toten „unguten“ Fische wurde einfach ins Wasser geworfen! „Ungut“ bedeutete in diesem Fall, dass der Fisch zu klein oder „beschädigt“ war! Was sollte d a s? Wo bleibt da der Respekt vor Lebensmitteln? Vor der Natur? Vor der Seele?

Franco holte sich oft einen ganzen Kübel voller kleiner „unguter“ Fische – ganz ohne Chemikalien. Zuhause gab es nach diesem Ausflug frischen Fisch, Brot und Oliven.

Während dieser kurzen, aber sehr intensiven Zeit bei ihm habe ich gelernt, wie wichtig es ist, manchmal die automatisierten Verhaltensmuster zu durchbrechen. In meinem Fall, auf das Rad zu steigen und die Welt aus einer anderen Perspektive wahrzunehmen.

Mein Tag war gekommen, der 24. November. Shui und ich machten die Straßen wieder unsicher und trotzten auch diesmal Wind und Wetter. Nach dem Mittag ging es so richtig los. Der Wind von der Seite war so stark, dass ich ganz schön schräg fuhr. Bei einem Regen-Hagelschauer konnte ich mich grad noch unter eine Brücke retten. Die restlichen 40 Kilometer nach Palermo wollte ich an diesem Tag eigentlich noch schaffen, so mein Plan. Aber ohne Erbarmen fegte der Wind über das Land. Ich kam schleppend voran, doch es ging irgendwie. Endlich, endlich war Palermo in Sicht. Ausgerechnet der allerletzte Tag war einer der anstrengendsten der gesamten Reise. Ich fuhr den Berg hinab mit Tempo 40 bis 60 kmh. Vom Wind kein Lüftlein mehr zu spüren, dafür zogen lila-schwarze Wolken oben am Bergkamm auf. Na Servus!

So ungefähr wusste ich die Richtung zur Jugendherberge. Einfach quer durch die Stadt, irgendwie zwischen zwei Berge hindurch, direkt am Meer. Ein Tropfen, zwei Tropfen, zehn Tropfen und Batsch … Wie aus Eimern schüttete es. Noch über sieben Kilometer durch die Stadt. Es war eine echte Herausforderung durch den plötzlich stehenden Verkehr zu kommen. Alles bewegte sich nur noch im Schneckentempo. Das Wasser stand schon mindestens zehn ZENTIMETER auf den Straßen. Ich, in kurzer Hose, Sandalen, Shirt und Regenjacke bei vierzehn Grad und Wasserfall vom Himmel hatte den Spaß meines Lebens! 🙂 Es hat mir soooo gut gefallen!

Kurz vor der Herberge hielt ich an, platschte wie ein nasser Pinguin durch einen Laden und kaufte mir heiße Schokolade zum Selberkochen. Zum „Feiern“. Ach, ich war glücklich. Welch eine Fahrt, sagte ich zu Shui. Ausgerechnet am allerletzten Tag!

Wieder im Sattel für die letzten Meter, dann war ich auch schon da. Der Rezeptionist fragte mich mit einem riesigen Grinsen im Gesicht wie es mir ginge und ich erwiderte mit einem breiten Lächeln: Ich fühle mich großartig! Wir beide lachten und ich erzählte ihm von meiner Fahrt des Lebens ohne Aquaplaning. Eine heiße Dusche folgte und alles war wieder gut. Mein Gepäck – komplett trocken. Wohl aufgehoben in den supertollen Ortlieb-Taschen. Echt Klasse!

Erst später habe ich mitbekommen, dass ganz Süditalien von diesem Gewitter betroffen war. Noch über Tage hielt es an. Ich war glücklich hier zu sein. In einem hübschen Zimmer mit Terrasse und Blick aufs Meer. Heiße Schoki, Musik des Regens, Klang der Wellen und dem Ende der Reise …

Insgesamt für eine ganze Woche „Urlaub“ verweilte ich hier. Vier Tage davon bei Wind und Regen. Aber dennoch wars schön, auf eigene Weise. Regelmäßige Dehnübungen, gutes Erholungsessen, Blicke aufs Meer, kurze Spaziergänge in den Regenpausen und einfach nicht mehr Radfahren füllten meine Tage hier.

Die restlichen Tage verbrachte ich mit Reflektieren, Shui´s Schachtel für den Rücktransport zu optimieren, mich mit anderen Reisenden auszutauschen, kleine Runden mit Shui zu drehen und nach dem ganzen Regen, wieder Sonne auf der Haut zu spüren. Für die Fußpflege fuhr ich extra sieben Kilometer nach Mondello. Dort gabs nämlich den nächsten Sandstrand um sich ein intensives Peeling zu gönnen. 🙂

Als der Tag der Abreise gekommen war, packte ich Shui mal wieder auf und fuhr Richtung Fähre. Nach der längeren Pause und nur kleinen Ausfahrten, spürte ich, wie sehr ich das Bergfahren vermisste. So entschied ich mich kurzer Hand noch vor Abreise einen Abstecher zu einem Aussichtspunkt der Stadt zu machen. Vierhundert Meter schön ruhig hinauf. Aussicht auf Stadt, Meer und umliegenden Berge. Herrlich. Ich blieb noch ‚bissi‘ am Aussichtspunkt, dann gings bergab in den starken Stadtverkehr. Diesmal ganz trocken und hektisch. Ich holte mir mein Ticket bei der Rederei ab und traf auf zwei wütende Hunde. Eh schon auf Schritttempo heruntergebremst, bellten und knurrten sie weiter. Einem hat meine Radtasche wohl nicht gefallen und er biss hinein. Ich spürte zwar einen Widerstand, aber ich dachte mir nichts dabei. Dann, während ich am Hafen entlang kurvte um die Wartezeit zu überbrücken, schaute ich doch mal nach und sah einen länglichen Riss von knapp acht Zentimetern Länge. Toll! Himalaya, Atlas und die Alpen hat die Tasche ausgehalten und jetzt so etwas. Es hätte aber auch anders verlaufen können und so war ich froh, dass es „nur“ die Tasche erwischt hat.

Als die Fähre endlich losfuhrt, stand ich an Deck und schaute auf das beleuchtete Palermo zurück. In Gedanken verabschiedete ich mich. Irgendwann in der Nacht wachte ich auf und betrachtete die vielen Sterne. Nach knapp zehn Stunden Überfahrt, kam ich in Napoli an. Ich freute mich wieder hier zu sein und steuerte die Wohnadresse von Niccoletta aus Warmshowers an. Wir trafen uns bereits bei meinem ersten Napoli-Besuch. Große Umarmung und gutes Müsli-Frühstuck gab es. Für die Wartezeit bis zur Abfahrt am Bahnhof hatte Nicoletta bereits einen Plan: Auf zum Vesuv! 1000 Höhenmeter am Stück. Aber das erste Stück bis zur Auffahrt war die übelste Holperpiste und stark befahren! Ich ließ etwas Luft aus den Reifen, um nicht jeden Schlag abzubekommen. So ging es eigentlich recht gut. Oben angekommen auf 1000 Metern Höhe, waren wir bereits zu dritt. Ein netter Rennradfahrer hatte sich dazugesellt. Wir genossen am Kaminfeuer in einer Bar Kaffee und unterhielten uns.

Bergab ging es superflott, weil Nicoletta eine andere Strecke fand, die leichter zu fahren war. Wie es in Napoli üblich ist, fuhren wir zunächst Pizza Margherita aus dem Holzofen essen. Dann holten wir mein Gepäck und fuhren zum Bahnhof. Dort verpackten wir Shui in den Karton. Eine Herausforderung mit dem Gepäck „Tetris“ zu „spielen“. Der Zug kam an, wir lagerten das Gepäck in den Zug und verabschiedeten uns wie langjährige Freunde. Mit 300km/h ging es in nur 2,5 Stunden nach Florenz. Während der Fahrt versuchte ich die Stelle zu finden, an der ich vor ein paar Wochen campiert hatte und genau diese Züge sehen konnte. Auf Grund der Dunkelheit konnte ich den Ort leider nicht ausfindig machen. In Florenz schleppte ich all die Kilos auf beiden Schultern verteilt zum Nachtzug gen Wien. Es war schon ein besonderes Gefühl „Wien Hauptbahnhof“ an der Abfahrtstafel zu lesen. Ich freute mich! Mit mulmigem Gefühl hievte ich die zwei Gepäckstücke in den Waggon. Erstens waren Fahrräder auf dieser Strecke nicht erlaubt (weder im Ganzen, noch verpackt) und Zweitens: große Kartons gelten als zu sperrig, teilte man mir als Antwort auf meine Email-Anfrage mit. „Ich möge eine andere Verbindung buchen.“ hieß es. Mhmm. 😉 Ich wollte zwar langsamer nach Wien kommen, aber nicht umständlicher. Also legte ich den Radkarton quer über das Abteil auf die Gepäckablage. Der Karton störte so Niemanden. Ich glaubte einfach wie immer an das Gute im Menschen. Meine Gepäckrolle war im Gegensatz dazu problemlos verstaut. Nun ja, der Schaffner kam schon bald nach Abfahrt und fragte mit großen Augen, was das sei? „Ein Fahrrad?“ Ich antwortete, „Teile eines Rads.“ Er: „Das ist aber eine grooooße Box! Mhm, Okay.“ Mein Glück war wohl, das kaum Passagiere an Bord waren. Oder ihm hat einfach mein Bart gefallen. Ha ha ha.

Ach, wie ich mich auf Wien freute. Ich hätte – und es wäre günstiger und vor allem schneller gewesen – fliegen können. Doch dann wäre es für mich nur ein Rückflug gewesen. Es fühlte sich aber immer noch nach einer Rückreise an, Schritt für Schritt, Station für Station.

Und so schließt sich der Kreis. Jeder Anfang hat ein Ende. Für mich ist es das Ende dieser Reise, aber es wartet ein neuer Anfang in Wien auf mich, auf den ich mich sehr freue: Freunde wiedersehen, Sauerteig-Brot backen, sinnvollen Job finden und meinen treuen Shui auf Vordermann bringen. Er hat sich zwar von seiner besten Seite gezeigt, dennoch kann man bereits ein paar Alterserscheinungen bzw. Abnutzungen erkennen. So bedarf es unbedingt neuer Laufräder. Bei meiner Ausrüstung stelle ich nur beim Zelt Schwächen fest. Himalaya, Marokko, diese Tour und paar kleinere Trips, setzten dem ganzen Material wohl doch ganz schön zu. Geschweige denn der Hundebiss!

Herzlichst, rückblickend und warm angezogen,

Piotr