Kalifornien und Radreise in Maui
12.12. – 24.12.2017
Eigentlich sollte ich jetzt irgendwo in Skandinavien in meinem Toyotahaus leben und von ihm aus Tagestouren auf den Ski unternehmen. Polarlichten anschauen, die Ruhe genießen und einen echten Winter erleben. So zumindest war die erste Idee als ich noch im Sommer beim Guiden überlegt hatte: wohin nach der Saison?
Jetzt, sitze ich 12 Kilometer über dem Pazifik und habe soeben die internationale Datumsgrenze überquert. Es war in Honolulu noch der frühe Morgen des Heilig Abends, als der Flieger abgehoben ist. Nach nur 3,5 Stunden Flug ist es bereits der 25.Dezember. Verrückt diese „Zeit-Maß-Erfindung“.
Die Idee der neuen Radreise entstand wie immer: ein Interessensreiz plus ein weiterer Interessensreiz. Auch, die Einsicht, dass ich meinen Toyotahaus erstmal wintertauglich vorbereiten hätte müssen. Da er aber noch keinen einzigen Winter in seinen 32 Jahren gesehen hatte (bis auf einen kleinen Ausflug), wollte ich ihm das dann auch ersparen.
Also gut, doch wieder Radfahren mit Shui. Mitte September dauerte es mehrere Stunden bis ich alle Einreisebestimmungen der angesteuerten Länder, Gepäck-Richtlinien der betroffenen Fluggesellschaften und schließlich alle vier Flüge beisammen hatte, die mich von A nach B nach C und D bringen würden.
Am Nikolaus-Tag sollte es losgehen.
Bis dahin, ein recht anspruchvolles Leben mit einer ungeheuren Intensität. Ich verreiste zuvor noch für vier Wochen mit meiner Mama nach Thailand und Hongkong. Lies sie das asiatische Flair spüren, der mich seiner Zeit verzaubert hatte. Vier Wochen intensives beisammen sein. Wär hätte das gedacht: entspannend! Vor der Asienreise, organisierte ich noch meine MTB- Bayerwald Sumava Tour, die nächstes Jahr gleich zwei mal veranstaltet wird.
Also, echt viel um die Ohren, aber mit Leidenschaft. So, dass es mehr Freude bereitete als das es eine Belastung war.
Nach nur sechs Tagen nach Thailand, war ich schon im Flieger gen Los Angeles/Kalifornien. Gepäck und Shui waren bereits im Oktober fertig vorbereitet gewesen. Alles verlief reibungslos. Erstmal eine Woche „Cali“-feeling bevor die echte Radreise beginnt. Ich war auf Besuch von Freunden. Zusammen meisterten wir den „Skyline Trail“. Von Palm Springs hinauf zum Jacinto. Sprich, von der Wüste in die Wolken. 2500 Höhenmeter am Stück. Er gilt als einer der fünf anspruchsvollsten Wanderwege der USA. Beste Vorbereitung für eine mehrmonatige Radtour, also. Ha ha.
Die „Cali“ Zeit war leider viel zu schnell um. Zum Glück gibt es die Speicherfunktion im Kopf und Herz, so dass man die Augenblicke nachleben kann.
Sechs Flugstunden später und den gigantischen Feuern in Kalifornien gut ausgewichen, landete ich in Kahului-Maui-Hawaii. Nach nur kurzer Wartezeit war Shui sammt Gepäck abholbereit und war auch bald startklar. Genau 12 Tage Zeit um die Insel zu Erkunden. Erstmal Einkauf von Proviant für paar Tage und meinen Radkarton wo verstauen (Andrew aus dem Island Biker Fahrradladen behält ihn bei sich für meine Maui Zeit-Danke!). Es geht gleich danach Richtung Osten. Den Schildern also „Hana“ nach. Die berühmte (und zurecht) Straße nach Hana. Am Weg dorthin blicke ich bereits hinauf zum Krater des „Haleakala-Vulkans“. Mit seiner imposanten Höhe von 3055m, ist es ohne zu Überlegen eines meiner Ziele auf der Insel. Bis ganz hinauf geht eine asphaltierte Straße!
Jetzt erstmal konzentriere ich mich auf die schöne Fahrt durch den Regenwald nach Hana. Übernachte aber vorerst auf schlammigen Boden in den Büschen (da alles abgesperrt ist, steige ich über einen Zaun und schlage mein Lager auf).
Am neuen Tag geht es kurvenreich mit kleinen Hügeln, die es voll in sich haben, vorbei an etlichen Wasserfällen, Blumen und Fruchtständen. Beim Mittag treffe ich auf Thomas aus München. Ein Marathonläufer, Bergsteiger und demnächst sicherlich leidenschaftlicher Touren-Radfahrer. Ohne etwas zu beschließen fahren wir gemeinsam los und sehen wie es sich entwickelt. Beide haben das gleiche Ziel: den Schwarzen Sand Strand (Wai’anapanapa State Park) bei dem man auch Campen darf. „Darf“, wenn man sich eine Genehmigung online kauft. Das erfahren wir aber erst, als wir dort sind. Keine Chance für uns, dies online zu erledigen. Somit riskieren wir es, stellen unsere Zelte ohne Zettel auf und ich gehe Baden. Bei Dämmerung werden wir kontrolliert und darauf hingewiesen, die Genehmigung einen Tag später nachzukaufen, sobald wir wo Internetzugang haben. Sooo kompliziert?!?!
Nun ja, am Morgen gehen wir erstmal ausgiebig in der unglaublich schönen Gegend Wandern. Auf Vulkanstein-Klippen sozusagen. Die Wellen sind so gigantisch, dass es bei dem Stoß gegen die Vulkanfelsen, mir es die Haare aufstellt. Soooo powerfull!! Wild und schön! Später fahren wir nach Hana, erledigen kleinen Gemüse-Einkauf und rollen weiter der Küste entlang zu den „Seven Pools“ (eigentlich sind es 24!). Auch dort gibt es einen Campingplatz. Dieser ist kostenfrei. Man bezahlt nur den Eintritt in den Naturpark. Für mich 12 Dollar für bis zu drei Tage/Nächte. Wir errichten erstmal unser Lager und wandern anschließend zum „Waimoku“ Wasserfall, wo das Wasser 120m in die Tiefe stürzt. Dennoch, ich merke, dass mich der vorherige Bambuswald, den es zu durchwandern gilt, tiefer ins Staunen bringt. Sooooo viel Bambus. Sooo dicht, hoch und widerstandsfähig! Dort hätte ich gerne genächtigt.
Mit Thomas unterhalte ich mich fast ausschließlich über Reisen, Länder und Berge. Er läuft bis zu 6 Marathons im Jahr und besteigt sämtliche hohen Gipfel weltweit. Bereits jetzt, habe ich Lust auf paar dieser Gipfel bekommen.
Ab nächsten Morgen radeln wir getrennte Wege. Thomas fährt zurück und ich weiter entlang des „Hana Highways“. Es scheint, dass all der Verkehr nur bis zu dem Naturpark fährt und nicht weiter. Ich treffe den ganzen Tag auf sehr wenig Fahrzeuge. Sobald ich sozusagen im Schatten des Regenwaldes komme, wird die Landschaft trocken und weit. Goldene Gräser, Ausblicke auf das weite Meer und die Nachbarinsel „Big Island“. Ich fühle mich TOP! Zufrieden, fit und frei. Diese Gegend hat aber auch ihren Preis: anspruchsvolles Radfahren auf paar Kilometern Piste, kurzen aber steilen Anstiegen, Sonne, kein Schatten und kein Wasser. Gleich zweimal, unabhängig voneinander, halten zwei Autos an und die Fahrzeuglenker bieten mir Wasser an, dass ich mit verschwitztem Körper und großem Grinser dankend annehme. Von dem einem dieser Herren werde ich gleich mal nach Kanada eingeladen und der andere Herr, kann sich gut in meine Situation versetzen, denn er ist diese Strecke auch schon geradelt.
Kaum komme ich aus dem Schatten des Vulkans, treffe ich auf Regenwolken mit Platzregen. Wie aus dem Nichts alles Nass. Und bald scheint wieder die Sonne und kurz darauf gleich wieder das Gleiche, Nass! Nach paar Kilometern Fahrt kommt mir eine Frau zugelaufen und möchte mir fünf Dollar zustecken, damit ich mir im nächsten Kaffeehaus ein warmes Getränk kaufen kann. Wie lieb. Ich lehne dankend ab und meine, nur so lange ich in Bewegung bleibe, ist mir warm. Sie ist einsichtig und schenkt mir stattdessen ein Lächeln und aufmunternde Worte. Tatsächlich, innerhalb von Stunden hatte es abgekühlt: von 36 auf 13 Grad Celsius bei einem Anstieg von 0 auf 1000m!!
Ich finde keinen Platz zum Zeltaufbau, somit klopfe ich an einem Haus und frage nach dem Platz im Garten. Ohne Widerrede darf ich mich dort breitmachen und einen Kaffee aus einem riesigen Becher gibt es dazu. 🙂 Mal was anderes mein Zelt mit leuchtender Weihnachtsdeko rundherum zu sehen, die auf den Bäumen im Garten angebracht ist. Am Tacho stehen ca.70 Kilometer und ca.1800 Höhenmeter. Na Boom – hatte ich nicht damit gerechnet!
Bis hierher konnte ich gut aus meinem ersten Einkauf zerren. Für die nächsten vier Nächte möchte ich noch aufstocken und fahre somit in einen kleinen Supermarkt. Da dieser knapp 1000 Höhenmeter weiter oben liegt, kostet gleich mal alles bisschen mehr. Von hier aus starte ich meine „Vier-Nächte-Krater-Expedition“. Die ersten 1300 Höhenmeter fahre ich hinauf zum Ticketschalter für den Naturpark. Es ist das gleiche Ticket, wie ich es vor paar Tagen um 12 Dollar erhalten hatte. Jedoch hatte ich nur mehr einen Tag „gut“. Beim gewollten Kauf, werde ich durchgeschwenkt. Es wird mir fast schon jubelnd mitgeteilt „Nur noch 11 Meilen dann bist du oben“. „Oben“ wäre dann auf 3055m.
Nach wenigen Metern komme ich zum „Haleakala Visitor Center“ und erhalte dort die nötige -kostenlose- Übernachtungs-Genehmigung für den Campingbereich im Krater direkt. Auch diese gilt nur für drei Tage.
Ich frage und bitte, Shui und das meiste Gepäck für meine Wanderung irgendwo unterzustellen oder zumindest am Gelände abschließen zu können, aber ohne Erfolg. Diesen Service bieten sie nicht, so die Aussage. Somit bleibt mir nur eines übrig: Shui samt Gepäck irgendwo zu verstecken!
Beim „Hosmer Grove“ Campingbereich, den man noch asphaltiert erreichen kann, packe ich nur das nötige ein um zwei Nächte verbringen zu können. Statt Radfahren ist jetzt Trekking angesagt. Eine russische Familie parkt hier kurz, um ein Picknick zu genießen. Noch warme Töpfe von zu Hause werden auf die Tische verteilt und die Deckel abgenommen. Es ist angerichtet und ich werde eingeladen. Kartoffeln, Hackbällchen und rohes Gemüse werden mit den Händen genossen. Das beste Wanderessen sage ich zu ihnen – sie Lachen.
Shui plus Radtaschen verstecke ich hinter einem Zaun im dichten Gebüsch. Mit großer Hoffnung und Vertrauen in das Gute des Menschen, marschiere ich los. Nach 10 Kilometer erreiche ich mein Basislager auf knapp 2100m für die kommenden zwei Tage. Besondere Stimmung für mich, so ohne Shui. Dennoch, ich bin zuversichtlich und bestaune den Sternenhimmel. Ganz klar zu erkennen: der Milkyway!
Nächster Tag: Eine knapp 19 Kilometer Wanderung im Krater mit dem Spiel von Farben, Winden, Nebel, rasiermesserscharfen Brocken und feinstem Sand. Unterwegs treffe ich noch andere Begeisterte und später wieder in dem Basislager. Wir verbringen den frühen Abend zusammen eher jeder sich ein sein Zelt begibt. Statt Sternen gibts heute immer wieder kurze Regenschauer. Der Morgen danach, mein Tag Richtung Gipfel, anfangs von seiner schönen dramatischen Seite und anschließend eiskalt und regnerisch. Kurz vor dem Gipfel wirds so richtig feucht. Ich verpacke mich oben am 3055m hohen Gipfel mit all meinen Kleidern und trampe zurück zu Shui. Alles gut, alles da. Ach wie erleichtert ich bin 🙂
Hier unten im „Hosmer Grove“ Campingbereich auf 2000m ists spürbar wärmer und vor allem trocken. Dies bleibt auch noch den ganzen Nachmittag und die Nacht durch. Ein Vogelkonzert übermalt das Campingleben mit all den Farben der Waldbewohner. Das Gepäck wieder umgepackt, starte ich recht spät am Morgen um den Gipfel jetzt auch noch mit Shui zu befahren. von hier eben diese 11 Meilen und knapp 1000 Höhenmeter hinauf. Mit Leichtigkeit, Freude und totaler Zufriedenheit komme ich recht bald oben an und ziehe mich ganz warm an.
Leider versperren die Wolken auch heute jegliche Fernsicht, so bleibe ich nicht lange und nehme den „Skyline Trail“ in Angriff (Auf der anderen Seite hinab.) Eine Wüste aus Steinen, auf der ein sichtbarer Weg hinab geht, triffts eher. Ich lasse Shui vorne und hinten etwas Luft ab. Hin und wieder muss ich kurz Notbremsen und Absteigen, dass ich dann auch mit einer Fotopause verbinde. Ich spüre aber wie sehr mir das gefällt. Statt auf bestem Asphalt runter zu düsen, habe ich mich fürs runterkriechen entschieden. Auch gut so! – Ich komme beim „Polipoli“ Campingbereich raus und baue hier mein Zelt für die vierte Nacht meiner „Krater-Expedition“ auf. Ach, die Vogelstimmen!! – Was wäre die Welt ohne diese Lieder?!?! Herrlich, echt!
Zufrieden, völlig alleine in diesem Wald mit all seinen Schätzen, so fühle ich mich! Am Morgen danach komme ich recht bald auf eine asphaltierte Straße, die mich zu dem Supermarkt bringt. Jedoch mit einem kleinen Zwischenfall. Teilweise war die Abfahrt sooo steil und ich wurde sooo schnell, dass (ich nehme mal an) aufgrund der Bremswärme (…eher Hitze) auf der Felge, mir es den vorderen Schlauch zum Platzen gebracht hat. Kurzer Eingriff und ich war wieder on the Road. Beim Supermarkt genoss ich einen guten Kona-Kaffee. Dort überlegte ich was ich die restlichen Tage unternehmen wollte. Das Wetter nahm mir die Entscheidung ab. Es schüttete plötzlich (ungewohnt für die Insel) auf der gesamten Insel wie aus Eimern. Sogar auf der Westseite (die meist trocken bleibt). Auf der Nordwest Seite werden ganze Straßen durch Murenabgänge blockiert.
Ich buche mir ein Bett in einem Hostel in Paia und genieße eine nötige Dusche sowie das Wäsche waschen. Es tut sehr gut!
Ab nächstem Tag nur mehr Sonnenschein. Ich folge ruhiger Straßen bis rüber an die Westküste. Halte Ausschau nach Walen und genieße sonst lockeres Radfahren mit Sonnenschein und Temperaturen über 30 Grad. Die Nacht verbringe ich irgendwo in den Büschen eher es nach gutem Schlaf weiter geht in die Nordwestliche Richtung. Ausblicke bis auf die Nachbarinsel „Molokai“, riesige Wellen, Surfer, wunderbar-kurvenreiche Strecke mit wenig Verkehr und purer Sonnenschein. Ein Traum, echt!
Meine letzte Nacht steht bevor und dieses Plätzchen hatte ich mir bereits vor paar Tagen gefunden. Fast direkt hinter dem Zaun des Flughafens. Schön eben, sauber, leicht hinzukommen. Die Flieger beim Starten knapp 50 Meter über mir. Ohrenbetäubend laut. Vibrationen bis ins Innerste meines Körpers. Echt Krass! Um Mitternacht ist Schluss. Keine Flieger, kein Lärm, nichts. Bester Schlaf. Ab 6 Uhr Früh fängt das Szenario von vorne an. Ha ha ha.
Meinen letzten Tag verbringe ich fast nur im „Kanaha Beach Park“. Ausgiebiges Frühstück, Shui plus gesamte Ausrüstung für die sensiblen Einreisebestimmungen Australiens reinigen, Strandspaziergang und Wellenreiten mit dem Körper. Anschließend Cruise ich durch Kahului und bestaune die „getunten“ Fahrzeuge. Sei es einen Meter aufgebockt oder auf paar Millimeter tiefergelegt. Alles dabei. Mit oder ohne Motorhaube. Einem riesigen Auspuffrohr oder mehreren mittelgroßen. Verrückt! 🙂
Ich fahre bei Andrew aus dem Island Biker Fahrradladen vorbei und hole meinen abgestellten Radkarton ab. Danach zieht es mich wieder in den Park. Dort koche ich mir ein feines Essen zu und lausche guter Musik von nebenan. Den Sonnenuntergang genieße ich in vollen Zügen, beobachte Kitesurfer und die Schatten in den Bergen. Eher es dunkel wird, radle ich zum Flughafen. Baue den Karton wieder auf, Shui auseinander. Verpacke alles ordentlich und fliege nach Honolulu auf die Nachbarinsel Oahu. Im offenem Warteraum lege ich mich hin und bestaune ein letztes Mal die Sterne über Hawaii. Acht Uhr früh heißt es: Abflug nach Tasmanien!
Derzeitiger Stand:
421 km
29:12 h
7369 hm
Herzlichst,
Piotr