Radreise in Japan | In Shikoku und Honshu
05.04. – 18.05.2017
Am Abend des 5.April, landen wir am Kansai Flughafen, der auf einen künstlichen Insel gebaut wurde. Schön und gut, aber mit dem Fahrrad oder als Fußgänger darf man nicht über die Verbindungsbrücke. Vorab hatten wir uns über allerlei Regeln Japans informiert, auch über den Transport über die Brücke. Also: wenn man die Fährräder verpackt lässt, werden sie im öffentlichen Bus (200 Yen) im Gepäckfach kostenlos mitgenommen. Wir fahren nur über die Brücke und verlassen den Bus. Wir sind also tatsächlich in Japan angekommen. Wir schmunzeln uns an. Es dämmert bereits ein bisschen, so beeilen wir uns mit dem Fahrrad-Zusammenbau. Dafür suchen wir uns ein ruhiges Plätzchen. Schon bald lernen wir kennen, dass die Japaner extrem korrekt sind und auch hartnäckig. Uns ist gar nicht aufgefallen, dass wir auf einem von drei (leer-stehenden) Taxi-Parkplätzen unsere Räder montieren. Nun ja, darf man nicht! Wir mögen bitte sofort den Platz wechseln. Wir vertrösten die Dame mit einem Lächeln und sagen „5 Minuten, Ok, no problem“. Die Dame lächelt uns an und antwortet „sorri, sorri, Taxi, no, no, sorri, sorri“. Das folgt so lange, bis wir unsere Räder zusammengebaut hatten. Es kam weder ein Taxi noch ein anderes Fahrzeug in dieser Zeit. Wie dem auch sei. Als bald wir fertig waren, kam auch gleich ein uniformierter Herr und nahm unsere Kartons dankend und beugend und dankend und beugend entgegen.
Phuuu.. wir wollten jetzt erstmal nur aufs Rad und einfach fahren. Bei der nächsten Tankstelle holen wir uns Benzin für den Kocher. Am Vorabend in Taipei, hatten wir uns via Satelliten-Bildern einen möglichen Schlafplatz gesucht, diesen fuhren wir jetzt an. Perfekt! Optimal! Unsere erste „wilde“ Übernachtung in einer Japanischen Stadt: hinter einer sehr sauberen öffentlichen Toilette mit HighTech-Washlet-WC´s, an der Meeres-Promenade gelegen. Wir kochen unser Abendmahl und genießen das Meeresrauschen und schöne Farben des Himmels.
In der früh erfreuen wir uns über den Zelt-Ausblick auf Kirschblütenbäume und das Vogelgesang-Konzert. Weiter gehts Richtung Koya-San auf sehr ruhigen Straßen hinauf auf knapp 500 Meter Höhe. Leider ist für die nächsten Tage das Wetter nicht auf unserer Seite. So kommen wir in dem mystischen Ort komplett durchnässt/verschwitzt an und suchen uns eine Bleibe (Unterkünfte und Transport in Japan sehr teuer!). Der Regen mag gar nicht aufhören. In der Früh, erwischen wir ein trockenes Zeitfenster und spazieren durch das Weltkulturerbe. Empfehlenswert! Tatsächlich hat es etwas mystisches. Die Tempel, die Wälder, die Ruhe, der imposante Friedhof. Am Nachmittag regnet es wieder, wir fahren aber dennoch los. Mal wieder auf Satellitenbildern eine mögliche „wilde“ Bleibe gefunden. Jup, Volltreffer! Großzügiges Dach, reichlich Platz zum Sachen aufhängen und das allerbeste: eine Lagerfeuer-Stelle sammt trockenem Holz! Oh man! Wir machen es uns wild-romantisch, kochen am Feuer und trocknen nebenbei noch unsere gesamte Rad-Kleidung.
Das Wetter beschenkt uns mit paar Stunden Sonnenschein und wir folgen Flüssen wieder hinab zum Meer Richtung Wakayama. Es kommt uns vor in einem Märchen zu sein, denn die Kirschblüten (Sakura) sind gerade beim Blühen und die rosa Farben dominieren die Landschaft. Wir fühlen uns verzaubert. Die Sonne und Wärme, die Blüten, die Flüsse, kaum Verkehr und wenn dann meist flüsterleise Hybrid-Autos. Ach, wie schön!
Von Wakayama aus nehmen wir die Fähre (hat Wifi) nach Tokushima (ca.2h) auf der Shikoku Insel. Dort nehmen wir die Straße no.438 und folgen ihr bis wir zur no.32 kommen. Auf dem Weg erwischt uns ein weiterer Regenschauer. Glücklicherweise hat der Ort, an dem wir vor haben zu Nächtigen, einen „Onsen“ (Thermalbad). Selbstverständlich finden wir uns beide schon bald darin und kochen uns richtig warm. Nach wie vor leben wir in einer Märchenlandschaft. Übersäht von Kirschblüten und kleinen Bächen oder gar starken Flüssen.
Die Shikoku Insel, gefällt uns sehr gut, sogar am besten wie wir ganz am Schluß feststellen werden. Besonders die Landschaft, kaum Verkehr und das extrem klare Wasser! Auf der Route bewältigen wir auch den ein oder anderen Pass, der aber nie angekündigt wird. Der höchste ist mit 1300m, also 1100m am Stück hinauf. Oben erreichen wir noch den Übergang zwischen Winter und Frühling. Drei Grad über Null und Schnee. Ich bin sehr sehr stolz auf Estelle! Eine großartige Leistung! Die Höhe, die Temperatur und nicht optimale Kleidung für diese Gegend. Zum Glück hat oben bereits eine kleine Küche mit Kaminfeuer geöffnet. Dort stärken wir uns mit warmer Suppe und wärmen uns gleichzeitig wieder auf. Wir ziehen alles an Kleidung an, das wir mitführen. Es folgt die lange Abfahrt von drei auf 20 Grad Celsius. Wir biegen anschließend auf die Straße no. 32 und folgen einem weiteren Fluss. Ach, ich merke gerade, wieviele Details ich im Kopf habe von dieser spektakulären Natur…Beschreibung: unmöglich.
Unsere Camping-spots sind jeden Tag wenn nicht praktisch, dann besonders malerisch schön. Von den Menschen bekommen wir kaum was mit. Entweder sind sie im Auto, im Supermarkt oder sonst wo. Die Straßen in den Dörfern jedenfalls sind leer und auch sonst wirkt die Insel extrem ruhig.
Schön langsam findet die Sonne hierher und bleibt auch für mehrere Tage konstant warm mit Temperaturen über 25 Grad. Das Radfahren ist schon mehr ein dahingleiten, denn wie gesagt, das Rundherum ist einfach atemberaubend schön. Nach der Straße no.32 folgen wir der no.439 bis zum Schluss- WOW!!! Alleine diese Route, leute!… wuuunderschön und sooooo abwechslungsreich. Mal Hochgebirge, mal Tal, mal Schlucht und am Ende Strand und Meer.
In Tosashimizu, klingen wir diese wunderbare Fahrt bei Wein, Spaghetti und frischen Chapatis aus. Wir campieren direkt am Pier des Hafens. Herrlich, echt! Den Tag darauf folgen wir der rauhen Küste, um in Sukumo die Fähre auf die Insel Kyushu zu nehmen. Hmm, das war der ursprüngliche Plan. Als wir nach dem Ticket fragen klingt alles noch ganz normal und wir gehen einen Schritt weiter zum Nachfragen nach der Abfahrt. Der Herr erwidert mit gekreuzten Armen und sagt „no ferry“. Mit einem Internet-Übersetzer, eine Weile später, lässt er uns verstehen, dass die Fähre für die nächsten zwei Wochen außer Gefecht ist. Wir mögen den nächstmöglichen Hafen ansteuern.
Wir überlegen uns das alles und gehen unsere mögliche Route theoretisch durch. Entscheiden uns anschließend für den direkten Weg um auf die Honshu Insel zu kommen und zwar mit der Fähre von Matsuyama nach Hiroshima. So geht es weiter auf zuerst stark befahrenen Straßen und schließlich wieder auf Ruhigeren, die dann auch direkt am Meer liegen.
Mal wieder schlägt das Wetter vor, für die kommende Nacht eher eine Unterkunft oder ähnliches aufzusuchen. Am besten auch für den darauffolgenden Tag.
Wir „fragen“ mal die Einheimischen (dauert erstmal bis wir überhaupt welche zu Gesicht bekommen), ob wir wo in der Garage oder vergleichbaren unser Zelt aufschlagen dürften. Es dauert, wir werden von einem Nachbarn zum Anderen geschickt bis wir letztendlich in einem traditionellen Haus-komplett aus Holz-gebaut ankommen und dort zwei Nächte bleiben dürfen. Mir kommen gleich Bilder in den Kopf von Samurais und Geishas. Das Haus wird nur mehr als Gartenhaus genutzt, das eigentliche Domizil der Familie ist nur paar meter weiter. Wir sind soooo dankbar und freuen uns rießig. Am kommenden Tag schüttet es wie aus Eimern, da kommt besonders Freude bei uns auf.
Weiter gehts…am Hafen angekommen geht alles sehr schnell, denn wir kommen gerade rechtzeitig zur Abfahrt an. Bis nach Hiroshima fahren wir etwas weniger als drei Stunden. Dort angekommen fahren wir an schönen Radwegen direkt ins Zentrum und in den „Peace Park“. Im Museum über den Atombomben-Abwurf erfahren wir mehr über die Geschichte bzw. über die grausamen Geschehnisse.
Die Nacht verbringen wir direkt im „Central Park“ in der Stadt. Toiletten, Wasser und Ruhe. Früh morgens turnen Sportler um unser Zelt herum. Keiner sagt etwas, jeder geht seinem Interesse nach. Dies genießen wir ganz besonders in Japan, die Harmoniebewahrung. Was wir aber vermissen ist der Kontakt, die Kommunikation. Nach einer Zeit kommt uns das Land „steril“ vor.
Hiroshima verlassen wir nordöstlich und fahren die nächsten Tage im Zick Zack durch die Berge bis nach Kyoto. Jede Nacht campieren wir idylisch am Rande vom Wald, am Fluss-/Seeufer oder einem kleinem Wiesenfleck. Jeden Tag, bis auf die letzten zwei vor Kyoto, fahren wir fast alleine durch die Wälder. Japan hat sooooo viel Wald und Vögel! Unglaublich!!
So sehr hatten wir uns auf Kyoto gefreut und ein traditionelles Leben zu „erleben/sehen“ und so sehr hatten wir uns gefreut es wieder zu verlassen. Zwanzig Kilometer vor der Stadt waren die Straßen bereits dicht mit Fahrzeugen!!! In der Stadt selber, nicht anders. Die zum Teil gigantischen Tempelanlagen liegen zum Glück abseits des Getummels. Dort kann man sich dann wieder erholen und Atem holen für den nächsten Teil der Stadt-Überquerung.
Hier traf ich meinen Freund Takuya wieder. Kennengelernt 2009 in Kirgistan, besuchte er mich in 2010 für paar Tage in Bayern. Jetzt wohnten wir für drei Tage bei einer Freundin von ihm im Nachbarort Otsu. Es war auch mal wieder Zeit, die Wäsche gründlicher zu waschen als nur im Bach oder im Waschbecken einer öffentlichen Toilette. Wieder gestärkt radelten wir entlang des „Biwako See´s“. Anfangs noch mit recht viel Verkehr. Der See und die Berge im Hintergrund zeigten sich an diesem Tag von der schönsten Seite und luden richtig ein zum Cruisen und früher als sonst das Camp aufzuschlagen. Direkt am Seeufer natürlich. Lagerfeuer-Romantik und echte Schokobananen rundeten den Abend harmonisch ab. Purer Genuss des Lebens!
Mit schwerem Herzen verlassen wir den Platz am nächsten Tag und schon bald kommen wir in die Berge, die wir bis zum „Fuji“-Berg nicht verlassen haben. Fast eine Woche radeln wir ununterbrochen Pässe hinauf und hinunter. Durchqueren Kilometerlange Tunnel (der längste mit 4.470m), bewältigen das ein oder andere Schneefeld, sehen sehr viel wildes Leben wie einen Hirsch, goldigen Wiesel (zumindest glaub ich, dass das ein Wiesel war), Fuchs, zig Falken und Bussarde und sogar einen kleinen Bären!!! Wir sind vollkommen verliebt in die Natur! Die meisten Kilometer Richtung „Fuji“ sind wir einsam durch die Wälder gefahren, die anderen, auf eher mittel bis stark befahrenen. Leider ist auch hier die Verschmutzung präsent (eigentlich überall in Japan wo wir jetzt geradelt sind). Links und rechts von den Straße findet man reichlich Abfall (selbstverständlich nur fleckenweise). Waschmaschinen, Autoreifen, Microwellen, Kühlschränke etc.. dann noch unzählig „To Go“-Behälter.
Unsere Campingspots verlassen wir stets mit mehr Müll, als wir selber „produziert“ haben.
Nun ja, zurück zum Straßenleben… An einem der Tage kommen wir wieder von einem Pass hinunter und entscheiden demnächst das Lager für die Nacht zu finden. Wie sonst in Japan, geht das recht schnell. Neben einem Sumo-Ring ist reichlich Platz unter Kirschblüten-Bäumen. Perfekt! Wir genießen noch die letzten Sonnenstrahlen und schauen uns ein wenig um. Estelle entdeckt im nicht abgesperrten Sumo-Trainingslager (leicht zu erkennen), warme Duschen. Weit und breit keine Sumo-Ringer. Wir überlegen nicht lange und duschen uns seit langem mal wieder mit warmen Wasser. Welch ein Fest! 🙂
Morgens kommen all die Ringer und Trainer und starten lautstark ihr Training. Wir dürfen hineinkommen und ein Teil des ganzen-sehr interessanten-Spektakels sein. WOW!!
Mit den Tagen erreichen wir den fast schon spirituellen Berg „Fuji“ mit seinen 3776m. Welch ein Anblick und wir haben viel Glück mit dem Wetter. Insgesamt drei Nächte in der Nähe des Berges. Ein Traum ist war geworden!
Ab hier wissen wir, ists vorbei mit der Romantik des wilden Lebens. Es geht weit weit bergab in das Ballungsgebiet. Extremer Verkehr, schlechte Luft und die Aussichten sind nicht wirklich interessant. Nach einem Tag durch diesen Nebel spüren wir, wie sehr uns die „echte“ Natur abgeht. Wir entscheiden uns nochmal einen Abstecher zu machen und genießen mal wieder die einsamen Sträßchen, die gerade mal so breit sind, dass ein Fahrzeug durchpasst. Selbstverständlich ist da kaum Verkehr. Top!
Für Tokio – Umgebung suchen wir bereits seit Wochen einen GastgeberIn, wo uns Unterschlupf gewährt wird. So viel Absagen wie in Japan habe ich noch nirgends erhalten. Fast 99%! Doch es endet so, wie es wohl enden sollte. „Art“ aus den USA, heißt uns herzlichst willkommen in seinem Appartment (1,5 h Zugfahrt nach Tokio). Er unterrichtet Englisch und lebt in Japan (immerwieder wo anders) seit acht Jahren. Er lässt uns alle Freiheiten und wir fühlen uns richtig gut bei ihm. Je mehr wir von Tokio erfahren bzw. durch die anderen größeren Städte Japans gefahren sind, verlieren wir Interesse überhaupt die Metropole zu besuchen. Dennoch entscheiden wir uns mit dem Zug hineinzufahren. Wir halten es genau fünf Stunden aus. Darunter waren ca. zwei Stunden im Park. Ha ha ha. Nein, Städte sind nichts für uns.
Beim Ticketkauf für den Zug brauchen wir eine Weile. Keiner hilft oder erkennt zumindest die Situation, dass wir Hilfe benötigen. Letztendlich klappt es mit Hilfe eines Bediensteten und wir sind froh wieder bei unserem Gastgeber „Art“ anzukommen.
Ab jetzt bereiten wir uns nur mehr auf die Abreise vor. Fahrradschachteln für den Transport der Fahrräder im Flugzeug, bekommen wir ganz einfach vom Radhändler wenige hundert Meter weiter. Die letzte Zeit verbringen wir nur mehr mit Bericht schreiben, richtig gut japanisch Essen gehen und sonst die Reise zu reflektieren. Einen Tag vor Abflug fahren wir dann los. Vollgepackt mit Kartons und unserem Gepäck, folgen wir sehr kleinen Straßen und sogar richtig schönen Radwegen bis wir den Flughafen erreichen. Wir entscheiden uns ganz in der Nähe des Airports zu nächtigen um am nächsten Tag ganz ohne Eile alles erledigen zu können. Wir finden einen sehr schönen Platz wo die Flugzeuge fast direkt über uns in die Höhe schießen! Welch ein Ohrenbetäubendes Spektakel, dass bis ca. elf Uhr Abends geht.
Letzten Stunden in Japan, wir packen alles wieder auf die Räder und fahren los zum Check in. Alles läuft problemlos und schon bald sitzen wir im Flieger Richtung Moskau. Von den 10 Stunden fliegen wir mehr als die Hälfte über Eis von Sibirien. Wolkenfreier Himmel beschenkt uns atemberaubende Aussichten der gefrorenen Wüste. Es kommt mir innerlich der Wunsch, jetzt wo ich „fertig“ mit Japan bin, dort unten mit den Ski, Zelt und Kocher unterwegs zu sein… Why not?!
Abschließend noch Infos zu Japan:
Laut den Einheimischen kann man das Leitungswasser überall trinken. Wir füllten uns die Flaschen die gesamten sechs Wochen nur aus der Leitung auf. Auf der Shikoku Insel, wo das Wasser so klar wie klar war, tranken wir es sogar direkt aus dem Fluss. Internet und Strom fanden wir bei jedem „7eleven“-Market. Zugfahren und Reise-Rad in JAPAN???? Forget it! Viel zu umständlich und verdammt kostenspielig (außer man reist mit einem Faltbaren und wenig Gepäck). Fähren dagegen super einfach und komfortabel. Mit der App „MapsMe“ hat man auch wieder eine super detaillierte Karte, aber leider sind in der Japan-Karte nicht besonders viele markierte Zeichen wie Supermarkt, Bank, Post etc…eingespeichert. Wildzelten ist super einfach und man findet eigentlich jede paar Kilometer geeignete Stellen zum Übernachten, selbst in Großstädten! Da eignen sich die Parks. In großen Supermarkets bekommt man frisches Essen zu guten Preisen. Noch dazu die Möglichkeit das Essen aufzuwärmen, Tee zu trinken und zu Tisch zu sitzen.
Stand und Ende:
10.677 Km
600:08 h
108.312 Hm
181 days on „cycling far east“- Tour
Herzlichst,
Piotr