
Radreise durch den Balkan
24.3. – 4.5.2018
Zehn Tage auf der Insel Bali. Zehn Tage kein
Radfahren, stattdessen Stehen versuchen auf dem Surfbrett. Es gelingt
mir recht bald, alles weitere wie Stabilität und Lenken und und und…
naja, andere Geschichte. Jedenfalls hab ich endlich meinen Wunsch
erfüllt: auf den Wellen zu reiten. Trotzdem, fühle ich mich auf dem Rad
und Boden wohler.
Meine Abreisezeit von der Insel ist also gekommen. Mit dem Bruder des
Hostelbesitzers, fahr ich zum Flughafen. Von dort, über Singapur geht es
nach Athen. Ach wie ich mich auf Europa und den Frühling freute. Die
frische Luft, die Blümchen und die Möglichkeit auch mal den Pullover
anziehen zu können. Auf Bali war ja 24/7 schwitzen angesagt. Der Flug
verlief recht flott, denn beachtliche acht (von 12) Stunden konnte ich
fast durchschlafen. Früh morgens angekommen, freute ich mich soooo sehr,
endlich wieder Radfahren zu können! Aber nicht nur auf das… auch auf
Griechenland. Ein mir noch unbekanntes Land, sowie die anstehenden
Länder gen Norden.
Noch ganz auf Bali-Hochsommer-Temperaturen angezogen, verwies mich der Europäische Frühling auf doch noch ein zweites T-Shirt.
Mit einem fröhlichen Herz fuhr ich endlich los und musste mich erstmal
an die „normale“ Straßenseite gewöhnen. Australier fahren ja auf der
englischen Seite. Eine angenehme Distanz von ca. 35km bis in die City
standen an. Genug Zeit sich neu zu orientieren. Am Weg machte ich Stop
bei einer Bäckerei, einem Cafe, einem Markt und letztendlich bei einem
Hostel, in dem ich mich für drei Nächte einquartierte. Die Tage erkunde
ich spazierend die Stadt und bin einfach nur beeindruckt. All die Bäume,
Grafitis, die Geschichte und besonders die viiiielen Cafe´s. Dass die
Griechen auch so gerne Kaffee trinken, war mir neu. Ich genoss die Zeit
mit vollem Genuss. Die kühle Luft und das völlig andere Leben als meine
Monate zuvor.
Nach dem Unabhängigkeitstag, an dem das Militär all seine Kräfte
darstellte, packte ich Shui und fuhr los Richtung Norden. Für die
nächsten drei Tage war die Luft eher neblig/rötlich. Der sog.
„Sahara-Wind“ brachte reichlich Staub aus der Wüste. Besonders an den
Autos und Fenstern der Häuser sah man diesen Transfer.
Gleich am ersten Tag darf ich zwei Mal eine Fähre nehmen. Ich fahre und
fahre, es fühlt sich so gut an. Selbstverständlich hatte ich eine gute
Pause auf Bali nach all den Höhenmetern Australiens. Meine Beine waren
gestärkt. In fünf Tagen wollte ich auf Korfu sein. Teilweise malerische
Landesabschnitte und traumhafte Campingplätzchen fand ich auf meinem
Weg. Vom Essen zu Mittag in den wenig geöffneten Restaurants(es war noch
äußerste Nebensaison) ganz zu schweigen. Auf der nördlichsten Insel
Griechenlands „Korfu“, traf ich Estelle. Sie kam aus Wien angeflogen.
Von hier aus wollten wir die nächsten drei Wochen gemeinsam radeln. Es
ist genau Osterzeit und bereits schööön warm. Das Wetter spielt die
nächsten fünf Wochen bestens mit.
Von Korfu kommen wir mittels einer Fähre wieder ans Festland. Kurz darauf passieren wir die erste Grenze: Albanien! Beide sind wir gespannt was uns erwartet. Schon so vieles gehört und gelesen, aber die eigenen Eindrücke fühlen sich eben zum „Anfassen“ an. Wir sind entzückt! Die wilde Landschaft, viele Tiere, teils kaputte Straßen, nette Menschen und ganz besonders die Einfachheit. Wildes Zelten ist überhaupt kein Problem. Wir fühlen uns sehr sicher und willkommen. Immerwieder verzaubert uns Albanien aufs Neue. Seis die Landschaft dank der Berge, des Meeres oder beides zusammen. Einfach einmalig!
Unsere Route geht über Elbasan nach Mazedonien zum Ohrid See. SOOOO
schön!! Wir beide sind hin und weg begeistert, trotz der anstrengenden
Pass-Fahrt. Das besonders beeindruckende sind die Kontraste:
Schneebedeckte Berge, blühende Pflanzen und der riiiießige See! Fast
alle hundert Meter stoppen wir am See und bestaunen aufs Neue. In Ohrid
selbst bleiben wir in einer netten Unterkunft für zwei Nächte. Hier ist
jetzt auch Ostern. Die Orthodoxen sind jetzt dran
Wir genießen die Stadt und den See. Der Tag Pause tut auch so gut. Aber
erstaunlich ist es doch, dass man sich wieder aufs Rad freut und das
Neue zu entdecken. So geht es weiter Richtung Norden nach „Debar“. Mit
kaum Verkehr meistern wir diese Distanz mit einem großen Staunen auf die
Berge und das viele Wasser. Unterwegs reisst Estelle ihre Fahrradkette,
ich kann sie notdürftig flicken. In der Stadt dann, treffen wir auf
eine Bande junger Jungs auf Fahrrädern. Estelle spricht sie an und
erklärt ihnen, dass sie eine neue Kette bräuchte. Kurz darauf folgen wir
ihnen zu einem winzigen Radladen. Die Nacht verbringen wir idyllisch
unten am Stausee.
Ein neuer Tag bricht an, so auch unsere Vorfreude. Wir fahren heute
wieder nach Albanien zurück. Kaum über der Grenze, ist jedes zweite Auto
ein Mercedes. Qualität spricht wohl für sich
Uns aber beeindrucken mehr die Landschaften. Inmitten die Dörfer und
tatkräftige Menschen. Frühling ist auch hier angekommen. Ein weiteres
Mal campieren wir wild an einem Fluss. Richtig idyllisch ist es in
Albanien! Am nächsten Tag erreichen wir die größere Stadt „Shkoder“. Wir
suchen uns eine Bleibe für die Nacht und erkunden bisschen die
Altstadt. Am nächsten Tag geht es nach Montenegro. Dadurch dass es nicht
viele Fahrmöglichkeiten gibt, kompensiert sich all der Verkehr auf die
wenigen Straßen. So bleibt uns beiden die Erinnerung an Montenegro
(entlang der Küste): als unglaublich viel Verkehr. Wir sind schon
gefühlt froh, als wir das Land verlassen, obwohl wir beide wissen, dass
es einfach durch die Infrastruktur bedingt, bis jetzt nicht anders
möglich ist. Dennoch, die beiden Nächte, einmal in „Petrovac“ und das
zweite Mal in „Zelenika“ sind eine unserer schönsten Erinnerungen
unserer Balkan-Radreise. Die erste in einer Pension mit weitsichtigen
Ausblick auf Küste und Meer. Die zweite im Zelt auf einem kurzen Pier
umgeben von Wasser.
Nach Montenegro sind wir neugierig auf Kroatien. Unser Ziel des Tages
ist „Dubrovnik“. Dort quartieren wir uns für zwei Nächte ein. Den Tag
darauf spazieren wir durch die Altstadt und auf der Mauer entlang. Wir
sind froh, jetzt hier zu sein und nicht in der Hauptsaison. Unfassbar
wie viele Menschen hier unterwegs sind. Dementsprechend die Preise hoch!
Nach nur wenigen Stunden haben wir wie gewohnt genug und verziehen uns
aus dem Getümmel. Kochen uns was feines und genießen guten lokalen Wein
auf der Terrasse, wo uns die untergehende Sonne einen schönes Bild am
Horizont malt.
Wir entscheiden uns so bald als möglich von der Direktroute gen Norden
abzufahren um nicht ständig dem Auto-Verkehr ausgesetzt zu sein. Die
Halbinsel „Peljesac“ bietet sich da am besten für uns an. Mit nur mehr
vereinzelten Autos teilen wir uns die Wege. Die Ausblicke verführerisch!
Am nächsten Tag setzen wir auf die Insel „Korcula“ über. Heute Ruhetag.
In einer Bucht campieren wir wild und idyllisch. Türkises Wasser, wohl
temperiert zum Baden und strahlender Sonnenschein. Sehr zufrieden
verlassen wir am nächsten Tag die Insel mittels einer Fähre, die uns
direkt nach „Split“ bringt. Der Abflug von Estelle nach Wien steht am
nächsten Tag an. Schmerzvoller Abschied, doch die Erinnerungen leben in
uns weiter. Dies macht das Ganze nur mehr halb so schlimm.
Als ich dann alleine weiterfahre, sehe ich den Flieger wo Estelle
drinnen sitzt. Ab da, bin ich wirklich alleine mit Shui unterwegs. Ich
habe mich dazu entschieden ganz weit weg von der Küste zu fahren. Auf in
das unbereiste/“unantraktive“. Schon bald treffe ich auf unbefestigte
Wege, verwahrloste Häuser und einsame Gegenden. Das ist so meine Welt
hier. Nichts rausgeputzt, das ist die Wahrheit des Landes. Ich nehme sie
an wie sie ist voller Respekt. Schon bald werde ich von einem Herren
auf eine Limonade eingeladen. Später auf ein nettes Gespräch auf
Polnisch/Kroatisch/Handzeichen.
Am Fluß „Una“ fahr ich ein Stück entlang und komme nach Bosnien und
Herzegowina. An der Grenze unterhält sich der Grenzbeamte mit mir und
lässt alle anderen Warten. Er ist neugierig über meine Reise und möchte
jede Station erfahren. Ich bekomme einen Stempel und eine dickes Lob. Ha
ha ha.
Rechts von mir fließt die „Una“ durch eine wuuuuunderschöne Landschaft.
„Solche Schätze verteilt auf diesem Planeten“, denk ich mir. Wäre ich
hier nicht hierher gekommen. Wer weiß, ob ich jemals über diesen
„Schatz“ „erfahren“ hätte.
In der hübschen Stadt „Bihac“, bleibe ich für eine Nacht und erkunde
die malerische Flussstadt zu Fuß. Leckeren Fisch plus Wein direkt an der
„Una“ gibt es heute Abend. Morgens fahre ich weiter Richtung „Slunj“.
Am Weg werde ich von der kroatischen Polizei angehalten: Ausweis
Kontrolle! Später, treffe ich auf „Frane“ aus „Warmshowers“. Er wohnt in
„Slunj“ seit paar Jahren, beherbergt viele Reisende. Egal, ob mit Rad
oder wie auch immer. Jedenfalls, war ich sein 400. Gast!!! Speziell zu
diesem Anlass, bereitet er einen Kuchen zu. Wir unterhalten uns sehr
sehr interessant bis spät in die Nacht und verabschieden uns auch noch
vor dem Schlafen gehen. Er geht recht früh in die Arbeit und ich ohne
Wecker aufs Rad Richtung „Karlovac“.
Tag später bin ich schon in Slowenien. Unfassbar! So nah beieinander die
Länder. In Slowenien treffe ich auf guten Wind für zwei Tage, der mich
ordentlich gut vorwärts schiebt. So, dass ich bereits am zweiten Tag in
ÖSTERREICH ankomme. Gleich nach der Grenze, campiere ich auf einem
stillgelegten Floß auf dem Drau-Fluß. Also SO, habe ich noch nie
übernachtet. Ha ha ha ha.
Ab hier fahre ich zumeist auf „Rad-Autobahnen“! Welch ein Luxus für Radfahrer. Exzellent ausgeschildert und asphaltiert. Zu Mittag treffe ich meinen Freund „Martin“. Wir fahren noch ein gutes Stück zusammen, eher wir sein Zuhause erreichen. Er und seine Freundin, bereiten ein großzügiges Grillfest vor. Zwei Tage später erreiche ich Linz und dort Klemens, auch ein Freund. Auch er und seine Freundin bereiten einen Grillabend plus Lagerfeuer und Gitarre vor. Wirklich, solche Menschen im Herzen zu haben, ist von unmessbaren Wert im Leben. Ich freue mich richtig, Menschen wie sie bei mir zu „haben“.
Dennoch, Shui und meine Entdeckerlust ruft! Ich verlasse Linz und
pedaliere gen Tschechien. Der Böhmische Wald plus Lipno Stausee. Ein
wunderschönes Bild! Ich bin überglücklich hier unterwegs sein zu dürfen.
Auch hier, kommt der Frühling gerade mal so durch. Es ist überhaupt
nichts los hier. Es scheint, als wäre ich der erste „Gast“ von 2018. Ich
fahre meine „Bayerwald-Sumava MTB Tour“ in entgegengesetzter Richtung.
Größtenteils kenne ich mittlerweile die Strecke. Es ist erfreulich auf
Punkte zu stoßen, an denen ich vor acht Monaten war, als ich die Strecke
geplant habe. Am „Polednik(Mittagsberg)“, meiner letzten Übernachtung
im Freien bevor meinem Ende der Reise, entfache ich ein Feuer in der
Feuerstelle, grille Würstchen und Brot, genieße tschechisches Bier und
reflektiere die Reise. Die wärme des Feuers, die absolute Zufriedenheit
und doch recht starkes Gefühl der Freiheit, lassen die ein oder andere
Träne fließen. Einfach aus dem Wohlbefinden heraus.
Kaum ist das Feuer aus, zeigt sich der Mai auf dieser Höhe (1315m) eben
von seiner frischen Seite. Es hat nur mehr sechs Grad über Null.
Sobald das Zelt steht, verkrieche ich mich in meinem warmen Schlafsack und schlafe richtig gut.
Mein letzter Tag steht an. Auch wenn es der längere Weg ist, wähle ich
meine Route durch Tschechien. Etliche Hügel nehme ich mit auf der
Strecke. Spät Nachmittags erreiche ich letztendlich „Waldmünchen“, mein
Ziel der Radreise „follow my Spirit“. Der Name deswegen, weil ich den
Reiseverlauf ganz meinem Gefühl überlassen habe.
Von 40.000 km des Welt Umfangs, bin ich 33.000 km geflogen und 7.000 km geradelt.
Auch dieses Mal spüre ich, dass mich die Menschen, die ich getroffen
hatte (eigentlich eh nicht viele), am tiefsten und kräftigsten in
Erinnerung geblieben sind. Die wunderschöne-faszinierende Natur auf
meinem Weg verzauberte mich immer wieder in eine Art Ohnmacht. Gefühlt
blieb die Zeit stehen, denn der Moment des Staunens schien ewig
anzudauern. Dadurch kann ich noch immer davon zerren und mich innerlich
erfreuen. Das Zwischenmenschliche brachte und bringt eine weitere
persönliche Veränderung mit. Habe teils bewegende wahre Geschichten mit
auf meinem Lebensweg mitbekommen. Teils einfach nur fröhliche.
Wie es sich anfühlt so kurz vor Ende Reise bzw. so kurz vorm Anfang
einer neuen „Reise“. Euphorisch aber auch nachdenklich, wie „schnell“
die Lebenszeit vergeht. Das wiederum bringt mich zu meiner Erkenntnis
und auch wieder Euphorie: ich lebe mein Leben, denn ich habe diese
gereiste Lebenszeit gelebt.
Derzeitiger Stand:
7131 km
414:28 h
66397 hm
Herzlichst,
Piotr