Radreise von Porto nach Waldmünchen

Radreise von Porto nach Waldmünchen

Januar 29, 2021 0 Von Pio

02.03. – 16.04.2020

Vom Flughafen in Porto, von wo Estelle ihre Reise gen Wien angetreten ist, fuhr ich mit Shui weiter nordöstlich in das Landesinnere. Das Thema „Corona“ war bereits in den Medien aber zu sehen oder zu spüren war noch nichts. Das Einzige, was ich zu spüren bekommen habe, war das kalte und nasse Klima des Nordens.

Bereits spät Nachmittags hatte es angefangen zu regnen und die Temperaturen fielen ab. Es sollte auch für den nächsten Tag anhalten. Somit war für mich klar, ich bräuchte einen überdachten Platz für die Nacht und den ganzen kommenden Tag.

Ich nutze hierfür alle möglichen Ressourcen, die ich habe. Satellitenbilder und Geländekarten am Handy. Die Beste aber ist nach wie vor meine Intuition. Ich spürte, dass was kommen wird. Nach weiteren Kilometern beim Bergauf fahren, zeigte sich links wie aus dem Nichts eine riiiesige Anlage. Eindeutig verlassen und überdacht. Nicht ganz dicht aber für meinen Zweck optimal. Mir ist noch immer nicht klar, warum sie nie zu Ende gebaut wurde.

Es war ruhig, einigermaßen trocken und ich fühlte mich sicher. Die Nacht verlief sehr angenehm, ich kann eigentlich überall gut schlafen so mal nebenbei.

Am Tag später wo ich mich bereits mit Reparaturen beschäftigt hatte, hörte ich doch Schritte und Stimmen in der enorm großen Ruine. Etwas mulmig wurde mir schon und so hörte ich genau zu und stand auf um zu Schauen, ob ich jemanden erkenne. Es waren zwei Polizisten, die auf „Streife“ waren. Sie waren eigentlich an mir überhaupt nicht interessiert. Haben nicht mal „Hallo“ gesagt. Auf meine Frage, ob ich hier denn übernachten dürfte sagten sie „Okay, no problem!“.

Das stimmte mich wieder zuversichtlich, denn in den Dauerregen wollte ich jetzt nicht hinaus. Einen Vorteil hatten die undichten Dächer aber doch, ich konnte mir direkt Wasser zum Kochen holen. Ich muss sagen, ich genoss diesen Aufenthalt schon sehr. Gutes Essen, gute Musik, genug Strom aus dem Akku und es war mir warm. Für die nächste Nacht hatte ich mir eine Übernachtung bei Chiara (aus Warmshowers) in Guimarães organisiert. Zwar musste ich am Folgetag rein in den Regen aber mit der Sicherheit im Kopf, dass ich wo ankomme, wo es trocken und warm sein würde. Das hilft enorm!

Nach ca. 50 Km war ich da und Chiara hieß mich mit eigenes zubereitetem Pesto und Spaghetti willkommen. Sie spricht nicht nur sehr gut Englisch, sondern auch Deutsch (in Genua die deutsche Schule besucht), Italienisch (sie ist Italienerin) und lernte Portugiesisch (studierte hier). Das ganze Gepäck und Rad hinauf zu ihr zu transportieren war eine eigene Challenge. Die Hausgänge in den Altstadt-Häusern sind sooo schmal.

Am Nachmittag erkundete ich die sehenswerte Stadt mit Regenschirm und Regenklamotten.

Machte Stops von Bäckerei zu Cafe und vom Cafe in die nächste Bäckerei. Im Supermarkt kaufte ich frisch für den Abend und die nächsten paar Tage ein. Auch bis hierher, keine Zeichen von Corona.

Morgens zeigte sich der Himmel freundlich. Das war jetzt eine gute Gelegenheit um loszufahren. Ich packte alle meine Sachen, zusammen mit Chiara bekamen wir Shui hinunter. Ein Foto noch zusammen und los.

Es ging gleich mal Richtung Norden. Ich wollte heute unbedingt die Grenze zu Spanien erreichen oder zumindest kurz davor Übernachten. Wie schön es wieder war unterwegs zu sein. Was mir auffiel: Viele Straßen sind aus Pflastersteinen gebaut und auch hier im Norden wird Wein kultiviert.

Dort ist die Grenze zu Spanien.

Es ging durch eine sehr schöne Gegend. Flüsse und Seen lagen auf meinem Weg. Auf der Reise mit Estelle durch das südlichere Portugal, hatten wir eeeetliche Kaffee-Stopps gemacht. Diese Kaffee-Kultur in Portugal ist genau meins. Ja und so hatte ich noch einen Gusto auf einen Letzten.

Wie so meine Ahnung es mir zuflüsterte, gebe es bestimmt kein Cafe mehr auf meiner weiteren Strecke und das ich mich somit in das Cafe auf der anderen Seite des Sees begeben sollte! Geahnt, getan! Und tatsächlich, das war das letzte Cafe weit und breit.

Am Rande des Nationalparks Peneda-Gerês, fand ich einen idyllischen Platz zum Übernachten. Selbst einen Brunnen gab es nebenan. Welch ein Luxus!

Viele Wasserfälle begleiten einen auf dieser Strecke. Mal links mal rechts einer. Am nächsten Tag fuhr ich die letzten Kilometer zur Grenze hinauf.

Ein letzter Blick in die weite Ferne von wo ich gestern gekommen bin. Echt krass, welche Distanz man aus eigener Kraft zurücklegen kann.

So, ab nach Spanien oder genauer gesagt nach Galicien! Alles was ich am Vortag und heute hinauf geradelt bin, ging jetzt bergab. Welch ein tolles Gefühl. Ewig lange rollen zu lassen und die Gegend anzuschauen.

Beim rechts hinunterblicken, sehe ich doch tatsächlich ein „Freibad“. Erst beim genaueren Hinsehen, erkenne ich und vor allem rieche ich, dass es sich um eine Therme handelt. Einfach nur ein Becken neben dem Flusslauf, dass mit Thermalwasser gefühlt und mit dem Bachwasser gemischt wird. Aber selbstverständlich, dass ich für sowas Zeit und Muße finde.

Und zack, liege ich drinnen mit den vier anderen Herren. Heeeeerrlich! Das kam echt zur besten Zeit, denn meine Finger waren gut durchgekühlt von der Abfahrt. Wie ich solche Kontraste liebe! Kalt und Warm wie in diesem Beispiel.

Als mir dann schon mehr als warm war, zog ich mich wieder an und radelte meine Strecke weiter. Irgendwann gab es mal wieder mein leichtes Mittagsessen. Zu meist besteht es aus Vollkorn-Knäckebrot (hält ewig, ist platzsparend und vor allem nachhaltig), Aufstrich, Tomate oder Salat, 2 (vorgekochten) Eiern, Olivenöl und Kräuter der Provence. Und manchmal noch einen Löffel Erdnussbutter. Oder auch zwei. On top einem Schuss Heidelbeeren- oder Erdbeer-Marmelade. Tiptop!

Wieder gestärkt ging es weiter durch die hübsche Landschaft. Kurz wo hinauf Aussichten genießen, dann wieder bergab. Grad noch vor Ladenschluss erreiche ich einen kleinen Supermarkt, in dem ich mich für die nächsten Tage verpflege.

Anschließend mache ich mich auf die Suche nach einem Schlafplatz. Ich bin da mittlerweile schon sehr wählerisch geworden. Es soll ruhig, schön und vor allem versteckt sein. Mittels Handy-Studium weiß ich so ca. wie der Platz aussehen könnte und wenn er vielversprechend ist, radle ich hin. Auch diesmal, super Plätzchen im Grünen unter Bäumen. Ich nenne es inzwischen Camping mit Stil. 🙂

Seitdem ich in Spanien bin, ist das Wetter ein Märchen. Einiges ist bereits am Blühen und die Tagestemperaturen erreichen schon gute 20 Grad. Der Duft der Blümchen, das Summen der Insekten und die warme Temperatur, soooo gut! Auch mehr und mehr Leben ist zu sehen.

Ich darf mal wieder durchs Gemüse und einen kleinen Pass hinauffahren. Ein einziges Auto kommt mir entgegen, sonst hab ich die Strecke ganz für mich allein. Ich liebe sowas! Könnt ich eeewig fahren.

Von hier oben kann ich sehr weit in das Land schauen. Vermutlich in zwei oder drei Wochen wäre hier alles satt grün. Jetzt ist es auch schon so schön anzusehen.

Auf meinem Tacho sehe ich, dass ich bereits vor paar Kilometern die 10.000 km-Marke erreicht habe. Boah, krass! Im Juli in Island gestartet weiter nach Dänemark. Quer durch Deutschland, Luxemburg, Belgien und Frankreich nach Paris. Von dort nach Madagaskar, Mauritius und La Reunion. Über Marseille und Mallorca nach Sevilla und hierher hinauf. Kraaaaass, was für ne Tour! Gefällt mir!

Zwei Indri Indri und ich in Madagaskar.

Ich schweife noch in den Bildern, die mir im Moment aufkommen, als ich diese Länder aufzähle. So eine Vielfalt an Natur, Kultur und Erlebnissen.

Fröhlich fahre ich weiter. Die Uhrzeit sagt mir, dass ich nicht mehr allzu lange habe einen Übernachtungsplatz zu finden und die Möglichkeiten geben auch nicht besonders viel Hoffnung.

Dort unten sollte es gut möglich sein zu Campieren.

Überall nur steile Abhänge und eine Straße. Wieder mal aber helfen mir da die Geländekarten und die Höhenlinien. So erkenne ich, wo es wo flach ist. Dann, den anvisierten Punkt nochmal mit Satellitenbildern vergleichen und positiv zustimmen.

So gegen halb sieben am Abend stand mein Zelt. Zwar werde ich keine Sonne in der Früh haben, die mein Zelt hätte trocknen können, aber hey, manchmal gehts nichts besser.

Es gibt mal wieder ein Deluxe Abendessen und auf die Freude der 10.000 km, auch zwei Bierchen. Prost dann mal.

Täglich unterrichtet mich Laura aus Madrid (Sie und ihren Mann habe ich in Madagaskar kennengelernt) über die Corona-Maßnahmen in Spanien. Es tut sich bereits was aber noch nicht am Lande und erst recht nicht in meinen Gegenden wo sehr viel Landflucht herrscht und es somit wenig Menschen gibt.

Ich fahre weiter durch das Yeres Tal wo es auch ein Las Vegas gibt.

Ab hier für die nächsten 2,5 Tage bin ich quasi abgeschottet von der Zivilisation. Nur mehr pure Natur und Wildnis, bis auf die asphaltierte oder schottrige Straße.

Wunderbar ruhige Wege, stets an einem Fluss, der sich durch das Gebirge geschliffen hat. Auch das Grün der Bäume und Pflanzen hat zugenommen.

Schon längst fahre ich nur mehr in kurzer Hose und Ärmellosen Shirt. Abends und Morgens ist aber schon noch ein Hemd und sogar eine Daunenweste nötig.

Es ist nur mehr Radfahrer-paradiesisch schön. Ein laaanger Pass hinauf in völliger Stille. Vereinzelte Häuser oder Ruinen sind zu sehen, wohl wo die Hirten wohnen, die ihre Kühe hier weiden lassen. Sonst nichts.

Ich bin überglücklich hier fahren zu dürfen. Aus eigener Kraft, gedopt mit Feigen und Datteln gings ganz einfach so hinauf.

Ganz oben angekommen, machte ich eine längere Aussicht-Schauen-Pause. Zur Gänze zufrieden. Der ganze Tag bzw. alle Tage hierher waren einfach wunderschön.

Ja und noch dazu nächtige ich mal wieder malerisch schön. Es duftet nach wilden Thymian und Rosmarin. Laura updatet mich, dass sie mittlerweile ihr Zuhause in Madrid nicht mehr verlassen dürfen und das meine Gegend noch nicht betroffen sei.

Früh morgens gleiches Ritual wie immer: Solarpanel aufstellen, Kocher an, Kaffee in den Espressokocher füllen, Topf mit Wasser fürs Müsli vorbereiten und dem brennenden Kocher lauschen. All dies mit dem Blick auf die Natur.

Ich fahre noch ein Stück, eher ich eine Kleinstadt erreiche und dort auch gleich wieder Frisches einkaufe. Anschließend mache ich mich auf den Weg in Richtung León.

Immer wieder stoße ich auf den Jakobsweg und Pilger mit Rucksäcken. Manche gehen „nur“ kurze Etappen, je nachdem wie sie Urlaub bekommen haben und andere, die bereits in Frankreich gestartet haben. Hut ab und das noch im Winter! Der ganz große Vorteil des winterlichen Starts: leere Wege und Garantie eines Schlafplatzes in den Pilgerherbergen.

2018 in Tasmanien am Overland Track.

Ich überlege mir auch immer wieder eine längere Strecke zu Fuß zu gehen. Wie damals in Tasmanien, wo ich ca. sieben Tage voll verpflegt unterwegs war. Schon eine tolle Erfahrung! Mich würden da die Treks (PCT, AT, CDT, JMT) in den USA interessieren.

Convento de San Marcos
Kathedrale von León

Von den Bergen kam ich sozusagen auf die Hochebene Spaniens und fuhr nach León hinein. Die Kathedrale und auch das Convento de San Marcos haben mich stark beeindruckt. Direkt vor der Kathedrale habe ich mein klassisches Mittagsessen genossen.

Als ich losfahren möchte, merke ich einen platten Reifen. Oh, wow, der erste seit Madagaskar glaube ich. Das darf dann schon mal sein, schmunzel ich. Flott ist der Schlauch geflickt und weiter gehts.

Zuerst hinaus aus der Stadt in Richtung Nationalpark Montaña Palentina und dem Stausee Embalse de Compuerto. Immer noch auf der Hochebene, die flach wie eine Pfanne ist, sehe ich von weiten die schneebedeckten Gipfel in der Ferne. „Dorthin fahre ich“, denke ich mir und freu mich darauf.

Auf einem Seitenweg parallel zur Straße finde ich ein Plätzchen vor, an dem ich nicht einfach so vorbeifahren kann. Zu idyllisch und noch dazu alles da! Ein Fluss, Sonne und Abgeschieden. Ohne zu Überlegen baue ich mein Zelt direkt auf und mach es mir gemütlich mit Nachmittags-Kaffee und Keksen. Anschließend springe ich in den eiskalten Bach. Wie wohltuend ein Bad im rauschenden Fluss ist.

Für heute, mit einem farbenfrohen Sonnenuntergang, röste ich mir Sonnenblumenkerne zum Snacken und Süßkartoffeln mit Paprika, Zwiebel, Knoblauch und Ei plus Kräuter als Abendessen. Als Dessert gibt es Joghurt mit einem Löffel Honig. 😛

Am neuen Tag wartet gleich mal eine Überraschung. Eine schmale Brücke über den Fluss gilt es zu überwinden. Mit den Taschen hinten drauf komme ich so nicht durch. Also abschnallen und zweimal gehen.

Die weitere Strecke geht durch einsame Gegenden mit paar Ruinen. Hier ist auch die Rede von Landflucht. Der ein oder andere Ort würde mir schon auch gefallen zum Leben. Abseits von allem, nahe den Bergen, nahe dem Meer

Ich kaufe noch mal ein und merke, dass sich Corona mäßig etwas tut. Paar Menschen mit Plastik-Handschuhen und Masken im Gesicht. Auch das Klopapier ist nicht mehr im Regal, sondern direkt an der Kasse meterhoch gestapelt. Für mich gilt: Ich biege links ab Richtung Berge.

Letztendlich erreiche ich den angesteuerten Stausee im Nationalpark. Gleich nebenher kann man so friedlich dahin radeln. Null Verkehr.

Ausblick auf das Wasser und schneebedeckte Berge (Pico Espigüete mit 2450 m). Viel zu schnell ist die Runde um den See vorbei, obwohl ich eh schon viel langsamer gefahren bin.

Aber es kommen neue Aussichten auf mich zu. Es häufen sich jetzt Bauernhöfe mit viel Vieh, auch die Dörfer sind belebter.

Blicke in die Ferne von einer weiteren Passhöhe auf über 1000 m laden zum Verweilen ein. Die dazugehörige Abfahrt genieße ich mal wieder im Crusing-Modus auf bestem Belag.

Die nächste Nacht wird die Frischeste dieser Radreise. Mit knapp unter MINUS sieben Grad. Ich bin dennoch positiv verwundert, dass mir so wohlig warm war in meinem Yeti. Das Zelt war hart wie Eis und da ich mit der Kälte gerechnet hatte, brachte ich alle meine Wasserreserven mit ins Zelt hinein. Na stell dir mal einen Morgen ohne Kaffee vor?!?!

Auf meinem Weg in die Region des Geoparque las Loras kam ich öfter mal nicht aus dem Staunen heraus. So eindrucksvoll die Landschaft. Die Schlucht und weiterlaufende Landschaft wurden vom Fluss Ebro geformt.

Gleich im Anschluss ein weiteres Highlight. Riesige Wasserfälle bei Orbaneja del Castillo. Ich machte eine Sighseeing-Pause und lies dieses Spektakel auf mich wirken.

Wieder am Rad entschied ich mich für extra Höhenmeter, um auf eine Höhe zu kommen, wo ich in der früh Sonne hätte. Hier unten wäre es nämlich knackig kalt geworden und lange kein Sonnenschein.

Ich fragte im Dorf nach einem Brunnen. Der nette Herr spazierte mit mir zu einem und sagte, dass das ein exzellentes Trinkwasser sei. Also alle Wasserflaschen (4 Liter) auffüllen und hinauf die 300 Hm. Im Timing mit dem Sonnenuntergang, stand das Zelt. Herrliche Stimmung und atemberaubende Aussicht.

Mit einer Eilmeldung hat mir Laura geraten, so bald wie möglich das Land zu verlassen, da jetzt sogar Sport und auch explizit Radfahren verboten sei. Dies gelte auch für Ausländer.
Mein Ziel war Barcelona, von wo ich die Fähre nehmen wollte nach Genua. Diese wurde bereits im Februar von der Rederei aufgrund von Corona storniert. Daraufhin hatte ich einen Flug von Barcelona nach Wien gebucht (wurde auch storniert). Und jetzt stand ich da.

Zwei Wochen Rad-Distanz bis zum Ziel und ich solle aufhören!? Mir war zum Weinen. Ich überlegte hin und her. Wollte natürlich keinen belasten und auch nicht irgendwo stecken bleiben. Jetzt wo ich noch die Möglichkeit hatte, „frei“ zu entscheiden abzureisen, dachte ich mir, tue ich das.

Ich überprüfte welcher Flughafen noch überhaupt geöffnet war (in Rad-Distanz), und wohin dort die restlichen Flugzeuge fliegen würden. Flughafen in Santander, ca. 100 km von mir entfernt, das würde gehen. Aber nach Deutschland ging nichts mehr. Nach Österreich auch nicht. Aber hey, Budapest/Ungarn, da ginge übermorgen früh ein Flugzeug (wenns nicht storniert wird). Gebucht!

Von dort könnte ich irgendwie nach Wien. Nach weiterer Recherche am Handy im Zelt konnte ich einen FlixBus vom Flughafen Budapest nach Wien Hauptbahnhof buchen. Nur 3h Wartezeit nach der Flieger-Ankunft. Meine Bange war jetzt nur mehr, dass der Flug storniert wird, oder ich am Budapester Flughafen zu lange gesundheitlich kontrolliert (laut Internet waren ausgiebige Kontrollen ausgeschrieben) werde und somit den Bus nicht erwische oder ich an der Grenze zu Österreich zurückgewiesen werden würde (in der Nacht meiner Ankunft hat Österreich die Grenzen dicht gemacht) oooooder ich überhaupt nicht in den Flieger komme, weil ich keine Schachtel für Shui hatte. Und weils eh schon anspruchsvoll genug war, sollte es ab nächsten Tag in Santander regnen und ich wollte doch in der Nähe des Flughafens irgendwo übernachten.

Nun ja, eine gute Nachricht nach der anderen. Beim Anschreiben ALLER Warmshowers-Leute in der Umgebung von Santander bezüglich Karton für Shui, konnte mir keiner helfen, aber Francesco bot mir stattdessen ein warmes und trockenes Bett an. Zusätzlich die Hilfe, dass er mich zum Flughafen fährt und mir bei der Kommunikation mit dem Bodenpersonal hilft, bezüglich des Verpackens von Shui. Kam aber alles ganz anders!

Nach all der Organisation war ich nur mehr froh einschlafen zu dürfen. Wohl die letzte Nacht in meinem Zelt auf dieser Reise, wie ich feststelle. Den gleichen Gedanken habe ich auch in der Früh beim Zelebrieren meines Morgenrituals bestehend aus Frühstück, Zuhause abbauen und Shui bepacken. Noch einmal über die Schulter schauen und los in Richtung Santander zu Francesco.
Im hellsten Sonnenschein ging es durch eine weitläufige Prärie mit Aussicht in jede Richtung. Jeder Moment auf dem Rad war jetzt noch mehr Wert als sonst. Dies machte ich mir bewusst. Am höchsten Punkt angekommen ziehe ich mir wärmere Sachen an und auch die Regenjacke. Von hier kann ich nämlich schon die Regenwolken sehen, in die ich gleich hineinfahren werde. Rasante Abfahrt in Richtung Atlantikküste.

Plötzlich ist NICHTS mehr los! Alles hat zu. Keine Menschen zu sehen. Auf verschlossenen Türen von Dienstleistern hängen nur mehr Zettel mit der Corona-Aufschrift. Selbst die Autobahn, die ich überfahre, ist leer. Echt spooky! Ich fahre an zwei Polizisten vorbei, die sehen mich nur mit großen Augen an, wie ich erkenne. Dann bin ich auch schon aus deren Sichtwinkel und ich erreiche nachmittags Francesco´s Zuhause.

Er empfängt mich, als wäre nichts. Eine Umarmung, ein Handschlag ein willkommens Gruß. Bei ihm Zuhause unterhalten wir uns nett über alles nur nicht Corona. Wir machen aus, dass wir morgen früh zusammen Frühstücken und er mich dann wie besprochen zum Flughafen fährt und mich dort unterstüzt.

Früh morgens, weckt er mich auf und bittet mich, dass wir gleich losfahren sollten. Die Ausgangsbeschränkungen hatten sich in der Nacht noch mehr verschärft. Er dürfe gar nicht mehr außer Haus und wenn dann nur in die Arbeit oder zum Notfall. Auch dürfe man nur mehr alleine im Auto fahren.

Also gut, schnelles Frühstück, alles hinein ein sein Auto. Ich liegend auf der Rücksitzbank am Weg zum Flughafen. Am Weg dorthin sagt er mir, dass er mir deswegen auch leider nicht weiter helfen könne. Er müsste direkt in die Arbeit fahren. In diesem Falle hatte er mir bereits mehr als genug geholfen und wir verabschiedeten uns mit einer Umarmung.

Und dann gings los… Offensichtlich war es, dass ich das Rad mit als Gepäck nehmen möchte. Die nette Dame am Schalter verstand zum Glück die Situation und meinte nur, ich solle es irgendwie verpacken und auf ein Maß bringen, dass es durch die Förderband-Türen passt. Von Francesco hatte ich ein Klebeband und eine Folie erhalten. Damit hatte ich Shui eingewickelt und verklebt. Selbstverständlich hatte ich kein gutes Gefühl bei der Verpackung. Dachte mir aber, dass kaum Leute mitfliegen werden und somit mehr Platz im Laderaum wäre (mit der Hoffnung, dass das Bodenpersonal mitdenkt).
Nach dreimal Anpassen und Zusammenbinden/Verkleben, hat es endlich gepasst. Meine Taschen konnte ich alle in meine Zeltunterlage einwickeln. Das reichte der Dame als Gepäckstück.

So und jetzt warten bis zum Einsteigen gerufen wird. Nach wie vor, war es nicht sicher, ob der Flieger abhebt. Das hatte mir die Dame auch gesagt.

1. Schritt
2. Schritt
3. Schritt

Dennoch, wir hoben ab. Mit ca. 12 Leuten an Board. Das Gute war, ich konnte mir die Landschaft unter uns von beiden Seiten anschauen. Paar Stunden später: Landung in Ungarn. Zu meinem Glück kam mein Gepäck und Shui unversehrt heraus. Absolut keine Kontrollen gab es. Nichts! Ich durfte einfach hinausgehen. Das Leben hier als wäre nichts passiert.

Wie schon erwähnt, hatte ich jetzt ca. 3h Zeit bis der Bus kommt. Ich hatte auch einen Fahrradstellplatz reserviert. In diesem Sinne, baute ich Shui wieder auf und das Gepäck hinten drauf. Bei einer Infostelle, fragte ich nach, ob der Bus wirklich fahren würde. Die Damen meinten, wenn nichts anderes bekannt ist, vermutlich schon. Ich dachte mir, das wird schon gut gehen. Nach ca. 2h Wartezeit rufe ich dennoch bei Flixbus in der Hotline an und es wird mir mitgeteilt, dass der Bus heute ausfällt. Na toll!

Ich hatte am Vortag noch eine Nachricht an das Busunternehmen geschickt, ob sie den wirklich fahren würden. Mit einem „Ja“ hatten sie geantwortet. Naja egal, keine Zeit und Energie für Ärger. Mein Notplan war der Zug vom Hauptbahnhof. Ich wusste, dass ich durch die Wartezeit einen von drei Zügen verpasst hatte. Ich hätte locker hinradeln können.
So, also frag ich am Taxistand nach und bekomme prompt ein Ticket. Es wird mir ein Taxi zugeteilt. Es kommt an, der Fahrer aber verweigert mir die Mitfahrt, weil ich ein Rad mithabe und er deswegen die Sitze umklappen müsste. Beim zweiten das Gleiche. Der dritte Herr nimmt mich nach langem Überreden mit. Aber auch nur, weil ich die Sitze umklappe.

Am Hauptbahnhof rolle ich direkt zum Schalter und frage nach dem Ticket. Die Dame meinte, hoffentlich fährt er auch, weil die Österreicher doch die Grenzen schließen möchten. Mit dem Ticket in der Hand rollte ich auf den Hauptplatz und hier war sooo viel los. Ganz normales Leben. Ich kaufte mir was zu Essen und wartete noch gute 2h auf den Zug.

Beim Abfahren fühlte ich mich gut, hatte aber trotzdem bisschen Sorge wegen der Grenze. Tatsächlich, der Zug blieb mitten an der Grenze zu Österreich stehen, obwohl es dort keinen Bahnhof gibt. Paar Minuten Anspannung und der Zug rollte weiter. Phuuuuu. Ausatmen. 🙂

Karlsplatz
Mariahilfer Straße

Am Hauptbahnhof in Wien, keine Menschenseele. Alles zu oder abgeriegelt. Eine wunderbare nächtliche Fahrt durch mein hübsches Wien genoss ich jetzt. Vorbei am Karlsplatz, am Ring und der Mariahilfer Straße entlang. Bis ich bei Estelle im 16. ankam.

Ein Monat blieb ich in Wien und als sich alles wieder gelockert hatte, nahm ich 3 verschiedene Züge und fuhr samt Shui nach Cham in Bayern. Auf dem Weg durch Österreich war Maskenplicht. In Deutschland, gleicher Zug, gleicher Sitzplatz, nicht umgestiegen, war die Maskenplicht plötzlich entfallen. Ich vermute, Corona war ausgestiegen.

Selbst am Schluss gab es noch ein Abenteuer. Als ich in Cham aussteigen möchte, geht die Tür wieder zu und der Zug fährt tatsächlich weiter. Ich rufe noch nach vorne aber es war zu spät. Haha! Eine Passagierin meinte, ich könnte einfach in Kotmaißling aussteigen und ich so: „Wo ist das?“ 😀

In Kotmaißling hab ich doch tatsächlich die Karte gebraucht, um den Weg nach Waldmünchen zu finden. Nach knapp 20 km durch sehr schöne (mir neue) Gegenden, erreichte ich schließlich den Hügel, wo ich zuletzt im März 2009 stand als ich nach Hongkong aufgebrochen war.

Hier stand ich zuletzt mit Shui im März 2009. Abfahrt nach Hongkong.

Zu guter Letzt kam ich in Waldmünchen an und bereitete mich allmählich auf meine MTB Saison vor (www.bike-aware.de).

In diesem Sinne geht meine Radreise von Island über Madagaskar und mehr, nach Waldmünchen zu Ende. Zeitraum Juli 2019 – April 2020.